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Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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und tief verborgenen Strömungen planetarischen Magmas. Er spitzte die Ohren - doch je mehr er sich anstrengte, das Brummen zu hören, desto schwächer wurde es. Alex kam zu dem Schluß, daß es sicherer war, nicht an das Brummen zu glauben. Er hob die linke Hörmuschel vom Ohr. Kein Brummen mehr. Gut.
    Dann hörte er auf einmal den schneidenden Höhenwind.
    »Wir haben eine Gewitterlage vorliegen«, verkündete Bussard voller Genugtuung. »Zwei Luftmassen prallen aufeinander. Hörst du mich, Alex?«
    »Ja.«
    »Die unmittelbar voraus liegende Wolkenlinie, das ist der scharfe Rand warmer, trockener Luft, die von Neumexiko kommt. Die trockene Luft darüber - dahin kommen wir gleich -, das ist die Haube. Im Moment saugt sie Wasserdampf von der Oberseite dieser Kumulusgebirge ab und macht sie platt.«
    Alex hatte das verstanden. Er blickte von oben auf die Wolken hinunter und näherte sich ihnen schwankend auf schlagenden, digitalen Schwingen. Die aufsteigenden, brodelnden Seiten des Wolkenhaufens waren die normalen Blumenkohlbrocken, aber die abgeflachten Oberseiten der Wolkentürme sahen wirklich ungewöhnlich aus: riesige, wogende Flächen aus turbulentem Wasserdampf, die gleichzeitig gekocht und umgerührt wurden.
    Die Drohne mühte sich noch eine Weile, Höhe zu gewinnen, dann schwenkte sie langsam über die anschwellende Sturmfront. »Siehst du, wie aufgewühlt das von hier oben aussieht?«
    »Yeah.«
    »Die Haube hat schwer zu tun. Sie wird im Laufe des Tages die ganze feuchte Luft von West nach Ost zurückdrängen. Aber das kostet Energie, und daher kühlt sie ein wenig ab. Wenn sie abkühlt, franst sie aus und bricht auseinander. Siehst du den Fallstrom dort drüben? Das große, klare Loch?«
    »Ich seh das Loch, Mann.«
    »Von den großen, klaren Löchern mußt du dich fernhalten. Sonst verlierst du im Nu eine Menge Höhe…« Die Drohne wich dem höhlenartigen blauen Fallstrom in respektvoller Entfernung aus. »Wenn die Türme unter uns so weit gewachsen sind, daß sie die Haube durchstoßen und an uns vorbei emporschweben, dann wird es hier laut werden.«
    Die Drohne trieb auf einmal in eine Wolkenbank. Die Brille vor Alex' Augen wurde so leer und weiß wie eine Krankenhausbandage. »Muß in diesem Turm ein paar hygrometrische Messungen vornehmen«, sagte Bussard. »Wir stellen Kelly auf Automatik und schalten auf Lena um… so!«
    »Das Fliegen gefällt mir«, meinte Alex. »Bloß das Umschalten nervt.«
    »Gewöhn dich dran.« Bussard kicherte. »Wir sind ja nicht wirklich dort oben, Mann.«
    Das Fluggerät namens Lena hatte sich bereits am Wolkenzug vorbeigearbeitet, hinein in die wärmere, trockenere Luft hinter den vorrückenden Gewitterwolken. Von hinten wirkte die Wolkenfront viel dunkler, aufgewühlter und düsterer als von vorn. Auf einmal bohrte sich eine flüchtige Lichtnadel durch vier große Dampfhaufen, worauf sie, begleitet vom gedämpften Grollen einer fernen Bombenexplosion, gleich wieder erlosch.
    Donner dröhnte unter der Hörmuschel in seinem rechten Ohr.
    Auf einmal drang Marthas Stimme an dasselbe Ohr. »Bist du auf Lena?«
    »Yeah!« antworteten Alex und Bussard im Chor.
    »Die Übertragung wird schlechter, Mann, ich muß dich eine Stufe runterschalten.«
    »Okay«, meinte Bussard. Die Bildschirme vor Alex' Augen wurden plötzlich merklich körniger, die Pixelkaskaden verlangsamten sich und gerannen zu kleinen, unregelmäßigen Blöcken. »Äh«, machte Alex.
    »Ein Naturgesetz, Mann«, erklärte Bussard. »Mehr Auflösung schafft die Bandbreite nicht.«
    Nun vernahm Alex' linkes Ohr - das ohne Kopfhörer - auf einmal verspätet gedämpftes, fernes Donnergrollen. Er hörte es in Stereo. Seine Ohren waren zehn Kilometer weit auseinander. Bei diesem Gedanken verspürte Alex den ersten existentiellen Anflug von VR-Übelkeit.
    »Wir lassen über die Thopter auch Instrumente laufen, daher müssen wir die Bildschirmauflösung hin und wieder begrenzen«, sagte Bussard. »Die besten Wolkendaten sind für das menschliche Auge nämlich unsichtbar.«
    »Kann man uns von dort oben sehen?« fragte Alex. »Kann man sehen, wo unsere Körper sind, kann man sehen, wo wir geparkt haben?«
    »Wir sind jetzt ein ganzes Stück von der Gewitterfront entfernt«, antwortete Bussard gelangweilt. »Also, dort im Süden, irgendwo im Hitzedunst - da liegt das Lager. Wenn Lena eine gute Teleoptik hätte, könnte ich das Lager im Moment sehen. Früher hatte sie eine gute Optik, - aber dann ist ein Blitz

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