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Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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bekommen. Im Laufe der nächsten Minuten würde der Zwilling mit mehr Saft wahrscheinlich hungrig werden und den anderen auffressen.
    Aber man wußte nie. Zacken waren auf dem Gebiet turbulenter Instabilität zu Hause, und manchmal reichte schon das kleinste Fitzelchen zusätzlicher Energie, sie in eine Monsterphase umkippen zu lassen… Jane stand kurz vor einer Entscheidung. Sie bremste den Wagen ab und blickte nach oben.
    »Verdammt!« rief sie. »Der linke rotiert verkehrt rum!«
    »Was?«
    »Das ist ein Antizyklon! Guck mal, wie das verdammte Ding rotiert!«
    Rick drehte den Kopf herum, wodurch die angeschlossenen Kameras auf der Stoßstange ebenfalls herumschwenkten. »Allmächtiger!« sagte er. Die Zacken rotierten in entgegengesetzte Richtungen.
    Die Drehrichtung eines Wirbelsturms war vor dem Hintergrund des dräuenden, schwarzen Schelfs schwer zu bestimmen, aber Jane hatte die Bewegung gesehen, da gab es kein Vertun. Jane war platt. Zum letztenmal war ein antizyklonischer Zacken in den späten Neunzigerjahren dokumentiert worden. Auf der Nordhalbkugel auf einen im Uhrzeigersinn rotierenden Wirbelsturm zu stoßen, war ebenso verrückt, als träfe man auf der Straße jemanden mit zwei linken Füßen.
    »Wir folgen dem Anomalen!« verkündete Jane. Sie griff unter den Sitz und holte kabellose Kopfhörer und ein Mikrofon hervor.
    »Eine gute Wahl!« meinte Rick mit vor Unglauben gepreßter Stimme.
    Jane schrie Charlie Befehle zu, wurde des verbalen Interfaces müde und zog das Lenkrad herunter. Sie schaltete in den computerunterstützten manuellen Modus, wobei ein Zerren am Lenkrad das Softwareäquivalent eines Ruckens am Zügel darstellte. Das war eine hervorragende Methode, einen Wirbelsturm zu verfolgen, vorausgesetzt, beim Pferd handelte es sich um eine intelligente Maschine, die tausendmal stärker und schneller war als man selbst. Eine ausgezeichnete Methode sogar, solange das Programm des Pferdes nicht beim Wechsel zwischen verschiedenen Modi abstürzte. Und solange man nicht vergaß, daß man eigentlich gar keinen Wagen steuerte, sondern vielmehr indirekt auf Richtung, Geschwindigkeit und Taktik des Fahrzeugs Einfluß nahm. Auf jeden Fall war es erheblich sicherer, als zwei Tornados manuell zu folgen. Trotzdem war es eine ausgezeichnete Methode, sich umzubringen.
    Rick gab der Truppe lautstark einen Lagebericht durch, während er gleichzeitig den Antizyklon mit den Teleskopkameras photometrisch vermaß. Jane dachte besorgt an die Düppel-Bazooka im Kofferraum. Die Bazooka-Salven waren so verflucht teuer, daß sie nie Gelegenheit gehabt hatte, sich wirklich vertraut damit zu machen. Rick hielt sich unglücklicherweise für einen hervorragenden Schützen, als wäre es ein Mordsspaß, bei dem man Rehe mit einer lautlosen, elektrischen Schnellfeuerwaffe mit Laserzielvorrichtung erlegte. Rick war jämmerlich schlecht im Umgang mit der Bazooka und zu sehr von sich eingenommen, während sie jämmerlich schlecht, sich dessen aber zumindest bewußt war.
    Sie stupste Rick gegen die Schulter. »Wo sind die Thopter?«
    »Sind unterwegs. Wird noch eine Weile brauchen.«
    »Dann muß ich den Antizyklon vom Boden aus mit Düppeln bombardieren«, sagte sie.
    »Das ist doch zwecklos, Janey! Der Radarbus hat gerade erst die Stangen aufgestellt, die Daten werden nur an SESAME gehen!«
    »Dann soll SESAME eben die Daten kriegen, wir müssen ihn jetzt festnageln, das verdammte Ding ist ein Linkshänder! Im Dienst der Wissenschaft!« Sie ließ Charlie auf freiem Feld anhalten, öffnete die Tür und sprang ins kniehohe Gras hinaus.
    Aus der Deckung von Charlies Dach hervor war das Geräusch der Schleppe gewaltig, markerschütternd, kosmisch. Jane rannte um den Wagen herum, wühlte im Kofferraum und löste die Klettverschlüsse der Bazooka. Es war noch zu früh, die Zacken in Augenschein zu nehmen. Es hatte keinen Sinn, sich jetzt schon aus der Fassung bringen zu lassen.
    Sie fand die Düppel-Rakete, schnallte sie los. Entfernte den gelben Sicherheitsstreifen. Drehte die Rakete herum, um sie scharf zu machen. Klappte das Visier der Bazooka hoch. Schaltete die Bazooka ein. Bootete den Flugbahnrechner der Bazooka. Charlie vibrierte vom Geräusch der Schleppe, und heftige Windböen nachfolgender Aufwärtsströmungen zerrten am Gras.
    Die Bestückung der Bazooka mit Düppeln war ein äußerst komplizierter Vorgang. Die Tätigkeit hatte einen großen, intellektuellen Reiz, was einem Zustand starker emotionaler Erregung entsprach.

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