Schwerelos
wieder verlässt, sollte sie ein happiges Bußgeld zahlen müssen. Es wären doch bloß neun Monate, und du würdest völlig neue körperliche Erfahrungen machen. Du bräuchtest das Kind später nicht mal besuchen kommen. Karsten wäre wirklich ein hervorragender Vater.»
«Und was wärst du?»
«Ich würde dem Kind frühzeitig soziales Verhalten beibringen und ihm klarmachen, dass es nicht immer nach seiner Nase gehen kann. Sondern nach meiner. Und spätestens, wenn Gloria-Luna im Shopping- und Discoalter ist, werden wir ein Herz und eine Seele sein.»
«Gloria-Luna?»
«Ja. Gefällt dir der Name nicht?»
«Doch, aber was, wenn es ein Junge wird?»
«Marie, bitte, jetzt mal nicht gleich den Teufel an die Wand!»
«Und wer wäre der biologische Vater von Gloria-Luna, wenn du mir diese indiskrete Frage verzeihst?»
«Karsten. Darauf besteht er. Er sagt, wenn Gloria-Luna auch nur in Ansätzen nach mir käme, wäre ihm das zu anstrengend.»
«Und wie stellt ihr euch den Befruchtungsakt vor?»
«Ein guter Freund von uns ist Gynäkologe. Mehr brauchst du nicht zu wissen. Du machst es also?»
«Nein, ganz bestimmt nicht. Aber frag doch mal Flittchen-Fricke.»
«Wenn ich mir was wünschen dürfte …»
«Ehrlich? Ach komm, du machst Witze», sagte Frank nebenan und lachte.
«Über so was macht man keine Witze», sagte ich und lachte nicht.
Ich stand vor dem Badezimmerspiegel und war mit meinem Gesamterscheinungsbild unzufrieden. Das neue Glätteisen hatte nicht mal ansatzweise das gehalten, was mir im Homeshopping-Kanal versprochen worden war. Nun muss ich allerdings auch zugeben, dass ich mich bei der Handhabung von jeglichem elektrischen Gerät meistens als ausgesprochen ungeschickt erweise. Ich weiß zum Beispiel gar nicht mehr, wie oft ich vergessen habe, den Deckel auf den Mixer zu drücken. Ein- bis zweimal im Jahr überkommt mich die Beeren-Kefir-Smoothie-Phase. Dann bin ich plötzlich der Meinung, jeder Tag müsse statt mit Kaffee mit einem vitaminhaltigen Mixgetränk beginnen. Besonders Blaubeeren, hat sich in diesen Phasen herausgestellt, hinterlassen an Wänden und Decke Flecken, die man eigentlich nur durch eine Renovierung wieder loswird.
Ich habe schon C D-Player , Autoradios und Computer-Festplatten mit einem einzigen Handgriff erledigt. Ich versuche erst gar nicht mehr, Filme auf DVD aufzunehmen, denn entweder ist nichts drauf oder drei Stunden Golf. Ichbin schon froh, wenn es mir gelingt, eine DVD abzuspielen, ohne eine Fachkraft engagieren zu müssen.
Meine persönliche Theorie ist ja, dass die Geräte spüren, mit wem sie es zu tun haben. Das ist wie bei Hunden. Ein Hund gehorcht dir nur dann, wenn du ganz sicher bist, dass er dir gehorchen wird. Bemerkt er Unsicherheit in deinem Kommando, macht er irgendwas, aber nicht das, was du willst. Ähnlich ist es mit Fernbedienungen und Fotoapparaten. Ich habe kaum je ein Bild gemacht, dem man nicht ansieht, dass ich schon vorher damit rechne, dass es nichts wird. Die meisten sind verwackelt oder wahlweise zu dunkel oder zu hell. Und wenn mir mal ein scharfes, gut belichtetes Bild gelingt, ist immer nur der unwesentlichste Teil von dem drauf, was ich fotografieren wollte.
Fernbedienungen mutieren in meiner Hand zu eigenständigen und störrischen Wesen. Ich erinnere mich wirklich nur sehr ungern an das Halbfinale der Fußballweltmeisterschaft 2006. Zehn Leute hockten in unserem Wohnzimmer vor dem Fernseher, als ich fatalerweise beschloss, den Ton ein wenig lauter zu drehen. Leider drückte ich die Umschalttaste. Und das alles entscheidende Tor fiel ohne uns.
Frank hingegen hat großes technisches Geschick. Es ist schön, wenn man sich in einer Partnerschaft so nützlich ergänzt. Frank kocht auch viel besser, hat den besseren Einrichtungsgeschmack, kann besser rechnen, ist der bessere Fettverbrenner, merkt sich Namen und Daten, die es noch nicht einmal in mein Kurzzeitgedächtnis schaffen, und er liest Gebrauchsanweisungen, was ich ja grundsätzlich ablehne. Ich finde, heutzutage müssen die Dinge sich mir selber erklären. Was sie aber leider nicht verlässlich tun. Siehe Glätteisen.
Und so betrachtete ich nun im Spiegel eine übellaunige Frau mit einer sehr, sehr seltsamen Frisur. Und dabei bin ich auf meinem Kopf ja eigentlich Kummer gewohnt.
Die versprochenen «schwungvollen Wellen, die Ihrem Typ etwas Mädchenhaftes und Romantisches verleihen», sahen bei mir anders aus. Statt weichfallender Locken hatte mein Eisen starre
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