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Schwerelos

Schwerelos

Titel: Schwerelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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Strähnen geformt, von denen jede unnachgiebig in eine andere Richtung zeigte. Ich sah aus wie eine zu Recht umstrittene Documenta-Installation.
    Als Frank meinen erbarmungswürdigen Zustand begutachtete, sagte er: «Respekt, du siehst aus wie Bill von Tokio Hotel.»
    Ist das zu fassen? Wie kann ein Mann vierzig Jahre alt werden und immer noch glauben, eine Frau sei in der Lage, am Silvesterabend Witze über ihr misslungenes Äußeres zu ertragen?
    Diesbezüglich ist Frank absolut die Art von Mann, wie man ihn bevorzugt als klischeeüberlasteten Prototypen in minderwertigen ProSieben-Comedy-Serien findet. Man denkt ja immer gar nicht, dass es so was wirklich gibt. Leider ja, und zwar bei mir zu Hause.
    Trotz des jahrelangen Zusammenlebens mit einer Frau sind solche Männer nicht in der Lage, einige grundlegende weibliche Charakterstrukturen zu begreifen.
    Nein, es freut uns nicht, wenn ihr euren Zeigefinger in unseren Bauchspeck bohrt und dabei pseudoneckische Diät-Bemerkungen macht.
    Nein, wir können es nicht leiden, wenn ihr euch tagelang nicht nach unserem werten Befinden erkundigt, dann aber plötzlich ganz genau wissen wollt, was eigentlich das neue Paar Schuhe gekostet hat.
    Und nein, es sei hier an dieser Stelle ein für alle Mal gesagt: Die korrekte Antwort auf die Frage «Liebst du mich?» lautet nicht: «Das weißt du doch.»
    Ich betrachtete widerwillig meine Haare und meinen Mann und überlegte, mich von beiden zu trennen.
    Als Frank meine Wut und Verzweiflung bemerkte, machte sich sein Lächeln vom Acker wie ein von einer Schrotkugel gestreiftes Kaninchen. «Du musst das positiv sehen. Ist doch echt mal was ganz anderes.»
    «Ja, Frank, danke, es ist echt mal was ganz anderes, nämlich richtig scheiße.»
    «Warum musst du auch ausgerechnet am Silvesterabend mit deinem neuen Plätteisen experimentieren?»
    «Glätteisen!»
    Natürlich hat Frank recht, aber es gibt jedes Jahr drei, vier regelmäßig wiederkehrende Termine, von denen ich immer wieder derart überrumpelt werde, als seien sie erst wenige Stunden zuvor bekanntgegeben worden. Der Geburtstag meiner Mutter gehört dazu, aber am kältesten erwischt mich Jahr für Jahr der Sommer. Dieser grauenvolle Tag, an dem es plötzlich und zum ersten Mal warm ist. Eigentlich sollte man sich freuen, aber ich bin immer wieder entsetzt von dem Anblick meiner winterweißen Füße, die in den Sandalen wie Leichenteile stecken. Und meine form- und farblosen Oberarme sehen in ärmellosen Oberteilen ebenfalls aus wie etwas, was schon vor längerer Zeit verstorben ist.
    Sommerkleidung ist für sommerliche Körper gedacht, die mindestens leicht gebräunt und vom Beach-Volleyball gestrafft sind. Deswegen sieht mein oranges T-Shirt -Kleid einfach nur total doof aus an meinem Körper, der an den ersten warmen Tagen des Jahres außerdem noch mitden hartnäckigen Resten der Weihnachtsgans zu kämpfen hat.
    Am allerschlimmsten ist es, zum ersten Mal im Jahr im Bikini vor die Welt zu treten. Ein Albtraum in Weiß! Oftmals zusätzlich verschandelt durch hektische Versuche mit dem Selbstbräuner, der bei mir nie das hinterlässt, was auf der Tube steht: «eine zarte, seidig schimmernde, gleichmäßige Bräune, die Ihrem Äußeren jugendliche und sommerliche Frische verleiht».
    Immer wieder stehe ich fleckig und unglücklich am Strand, wie ein uralter Schecke auf dem Weg zum Schlachter.
    Und jedes Mal frage ich mich, wie ich das rettende Wasser erreichen soll, ohne für immer meine Würde zu verlieren.
    «Marie, das Hummer-Essen bei meinem Chef beginnt in fünfzehn Minuten. Bist du endlich so weit?»
    Franks Stimme klang deutlich genervt.
    «Dein Chef ist ein fieser Machtmensch. Können wir nicht zu Erdals Silvesterparty gehen?»
    «Ist das dieser Schwule, der dich von seinem Freund befruchten lassen will?»
    «Jetzt sei nicht so eklig.»
    «Ich wünsche mir auch ein Kind und spreche trotzdem nicht wildfremde Frauen an, ob sie Lust hätten, mir eins auszutragen.»
    «Würdest du bitte aufhören, mich mit deinem Kinderwunsch zu drängen.»
    «Nicht ich dränge, Marie, die Zeit.»
    «Und dazu noch meine Eltern, deine Eltern, mein Gynäkologe und nicht zu vergessen deine traditionsbewusste Firma, bei der keiner in der Chefetage weniger als zwei Kinderhat. Auf einmal haben es alle so eilig, als wäre ich übermorgen mit einem Schlag verdorrt.»
    «Mit der drängenden Zeit meinte ich, dass unten das Taxi wartet. Was hältst du davon, wenn ich alleine zu meinem Chef gehe und gegen

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