Schwert des Aufruhrs
Revers seines dunklen Anzugs, alt genug, ein Zeitgenosse des Verstorbenen zu sein, beschwerte sich witzelnd über die Größe seiner Kinder. Auch er legte einen Orden zu der wachsenden Zahl. »Gute Männer haben gehandelt, Victor. So wie Sie.«
Ein reich gekleidetes Paar war >den ganzen Weg von York gekommen. Danke, Sire<.
Andere. Heute waren nur Würdenträger hier, die sich einen Moment von der Zeit nehmen konnten, die für Diplomaten, Verwandte und langjährige Vertraute reserviert war.
»Für das Andenken meines Großvaters, der unter Ihnen gedient hat.«
»Für Tikonov.«
»... wünschte, du hättest ihn kennengelernt, Victor. Nur eine Begegnung. Das hätte es vollendet.«
So vertraulich dem einstigen Prinz und Paladin gegenüber, und dabei doch so kalt. Erik war drauf und dran gewesen, ans andere Ende der Halle zurückzukehren und am Ausgang auf seinen Onkel und Prinz Harrison zu warten. Aber die alte Frau in ihr em schwarzen Spitzenkleid und mit passendem Schleier erregte seine Aufmerksamkeit.
Ebenso wie der junge Mann, der sie begleitete und ihr gestattete, sich auf seinen Arm zu stützen. Er trug einen einfachen schwarzen Anzug, der Gelegenheit angemessen. Seine Haltung und der ruhige, selbstbewusste Blick jedoch kennzeichneten ihn als Militär. Die Narbe neben dem l ink en Auge verlieh ihm ein bedrohliches Aussehen, auch wenn er momentan beherrscht wirkte.
Was er flüsterte, als er sich vorbeugte und durch den Glasdeckel starrte, war nicht zu verstehen.
Auch diese beiden traten schließlich beiseite. Und als er die Frau an den Fahnen vorbeifühlte, erhaschte Erik einen Blick unter den Schleier und korrigierte sich. Keine alte Frau. Aber auch nicht mehr jung. Bildschön, aber zerbrechlich, in krassem Gegensatz zu dem robust und gut aussehenden Mann an ihrem Arm.
Erik folgte ihnen durch die halbe Halle, doch dann hielt er an und schaute sich zum Sarg des Paladins um. »So viele Leben«, flüsterte er. Victor hatte in den einhundertfünf Jahren seines Lebens so viele Menschen erreicht und ihr Leben beeinflusst - war es da ein Wunder, dass die Schlangen der Trauernden kein Ende nahmen?
Vielleicht nicht.
Tara Campbell wartete auf der Freitreppe der Kathedrale. Geduldig. Selbstsicher. In voller Sicht der Presse, deren Vertreter ihren eigenen abgesperrten Bereich auf der gegenüberliegenden Straßenseite hatten, von wo aus sie das Kommen und Gehen der Prominenz beobachten konnten.
Sie hätte ins Innere treten können, um sich einen Moment Ruhe zu verschaffen. Aber sie hatte ihren Augenblick bei Victor schon gehabt. Und Exarch Levin legte Wert darauf, dass sie jetzt, während die Offensive der Republik gegen die Senatsloyalisten lief, so öffentlich wie möglich agierte. Wenn sie nicht in einem Mech saß, sollte sie sich auf jede denkbare Art und Weise um wichtige Wohltätigkeitsbelange oder das Gipfeltreffen der Fürsten der Inneren Sphäre kü mm ern.
Heute bestand ihre Rolle darin, den Geleitschutz der Davions zu befehligen.
Morgen möglicherweise darin, eine zweite Beerdigung zu organisieren, wenn sie die düsteren, verbissenen Mienen des abziehenden Kurita-Gefolges richtig gedeutet hatte.
Tai-shu Toranaga war vorausmarschiert, das Kata-na wie immer fest in der Hand. Der Koordinator war ihm gemächlicher gefolgt, aber seine zornige Miene war ebenso unübersehbar gewesen wie die Gewitterstimmung seiner Samuraieskorte. Gut, sie hatte kaum jemals einen draconischen Adligen gesehen, der nicht aussah, als hätte er gerade einen halben Wurm in seiner Naranji gefunden, doch diese Übellaunigkeit war selten mit weiß hervortretenden Knöcheln an Heft oder Scheide eines Schwerts verbunden. Oder den stechenden Blicken in ihre Richtung.
Die würden es mit Sicherheit in die Abendnachrichten schaffen.
Tara aber hielt durch und spielte ihren Part für die Republik. Sie wartete, als allmählich auch die Mitglieder ihrer Gruppe aus dem Innern der Kathedrale kamen. Duchess Amanda Hasek und Sandra Fenlon waren die Ersten und verbrachten erneut Zeit damit, sich die Gebäude der Umgebung anzuschauen. Tara überlegte, ob sie ihnen Gesellschaft leisten sollte. Die Herzogin war ein wenig abweisend, Sandra aber war umgänglich, und alles in allem hätte sie es schlimmer treffen können.
»Hallo, Tara.« Er sprach sie von hinten an, die Hände freundschaftlich um ihre Taille gelegt.
Natürlich erkannte sie die Stimme, die sich seit der ersten Begegnung auf Skye in ihr Gedächtnis gebrannt hatte. Jasek Kelswa-Steiner
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