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Schwert und Laute

Schwert und Laute

Titel: Schwert und Laute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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auf mich stürzen und mir mein Glück entreißen würde. Sie ist tot, Caitlin!, sagte ich mir immer wieder. Tot vielleicht, aber nicht begraben...

13
Edinburgh
    Die ersten zwei Tage nach der Nachricht von Meghans Tod vergingen in gedrückter Atmosphäre. Isaak sann auf Rache und war in den Hügeln verschwunden. Effie trug schwer an ihrem Schmerz. Die schöne, leichtfertige junge Frau ruhte jetzt für alle Ewigkeit auf dem kalten Grund des Loch. Der dritte Tag zog mit strahlendem Sonnenschein herauf, der die Tränen trocknete. Das Leben machte sein Recht geltend.
    Die Männer fuhren zum Heringsfischen hinaus. In den letzten Tagen waren die silbrigen Schwärme gesichtet worden, wie sie unter der dunklen Wasseroberfläche des Loch Leven aufblitzten. Liam hatte sich in aller Frühe zu den Männern auf den Booten gesellt. Ich half den Frauen des Dorfes, die provisorischen Schlachtbänke aufzustellen, auf denen die Fische abgeladen würden, um danach ausgenommen und in den Hütten an Balken gehängt zu werden, wo sie im beißenden Rauch der Torffeuer trocknen würden.
    Am selben Morgen hatte Sàra mir einen Arisaid geschenkt, einen Tartan aus Wolle, der denen der Männer glich, sich aber durch seine weniger lebhaften Farben und die größeren Karos unterschied – der traditionelle Tartan war den Männern vorbehalten. Die meisten Frauen gebrauchten den arisaid als Schultertuch; die Gattinnen der Edelleute allerdings trugen ihn auf die traditionelle Art, das heißt um den Körper geschlungen und unterhalb der Brüste von einem Ledergürtel zusammengehalten. Der Stoff, der im Rücken herunterhing, wurde über die Schultern nach vorn geschlagen und auf der Brust von einer mit Edelsteinen oder Bernstein besetzten Silber- oder Messingbrosche gehalten. Rot gefärbte und mit kleinen Metallstückchen geschmückte
Leinenärmel vervollständigten die Tracht. Ich entschied mich, meinen einfach als Umschlagtuch zu tragen, um mich vor der frischen Brise, die aus Nordwesten wehte, zu schützen.
    Sàra war sehr geduldig mit mir. Sie erklärte mir die Sitten und Gebräuche der Highlands, die zu kennen ich verpflichtet war wie jede Highlander-Frau, die etwas auf sich hielt. Vor dem Massaker pflegten die Talbewohner zwischen ihren Dörfern und den Hütten auf der Heide, die als Sommerweide diente, hin- und herzuwandern, weiter in den Osten des Tals, am Eingang von Rannoch Moor, oder auf die sanften Hänge des Buachaille Etive Mor. Man begab sich am Tag nach dem Beltane-Fest dorthin und kehrte erst nach dem Samhain 15 -Fest im Herbst zurück. Dort verbrachten die Frauen den Großteil ihrer Zeit damit, Käse und Butter herzustellen, Wolle zu spinnen, zu weben und dann die Tartans zu walken, während die Männer – wenn sie nicht gerade Raubzüge auf Argyle-Land unternahmen – das Vieh hüteten, jagten und fischten. Momentan allerdings zog es die kleine Gemeinschaft, die erst seit etwas über zwei Jahren wieder im Tal lebte, vor, in Carnoch zu bleiben, um ihr Leben wieder aufzubauen.
    Das Clansystem lehnte sich an die feudale Gesellschaft an. An seiner Spitze stand der Chief, umgeben von seinen Steuereinnehmern oder Tacksmen, Männern, die er selbst unter den Mitgliedern seiner Familie auswählte. Jeder davon erhielt einen Teil des Clanterritoriums zugewiesen, den er nach eigenem Gutdünken an die Pächter des Clans, die als Edelleute betrachtet wurden, weitergab. Dies war sozusagen ihr Einkommen in Naturalien, wofür sie, wenn notwendig, ihre Dienste als Krieger zur Verfügung stellten. Dafür war ihnen der Schutz ihrer Familien zugesichert. Diese Notabeln regelten die Geschäfte des Chief und dienten ihm in Kriegszeiten als Offiziere, deren Aufgabe es war, die Männer des Clans zum Kampf aufzustellen.
    Der Chief übte eine beinahe absolute Macht über seinen Clan aus, das heißt, er richtete und fällte Urteile; bei sehr seltenen Gelegenheiten konnte das durchaus bis zur Todesstrafe gehen.
Die Clans erkannten nur ihre eigenen Gesetze an und gefielen sich darin, die von der Krone aufgestellten zu ignorieren, zum großen Verdruss der Schotten aus dem Süden, der Lowlander, die eher nach den englischen Sitten lebten.
    Dieses einfache, wenngleich raue Leben gefiel mir. Ein Schatten verdüsterte jedoch dieses Bild: Liam wurde wegen Mordes gesucht. John Macdonald war so großmütig gewesen, ihn nicht aus dem Clan zu verbannen, wodurch er zu einem »gebrochenen Mann« geworden wäre. Doch die Großmut des Chief hatte ihre Grenzen; und die

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