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Schwert und Laute

Schwert und Laute

Titel: Schwert und Laute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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Möglichkeit, dass er irgendwann gegen ihn entscheiden könnte, hing über Liam wie ein Damoklesschwert. Ich genoss also jeden Moment dieses flüchtigen Glücks, das mir zuteil wurde, stets in der Hoffnung, dass es nicht der letzte sein möge.
    Allerdings hätte ich nie geahnt, dass sich unser Geschick so rasch wenden sollte. Die Männer waren eine Stunde zuvor zurückgekehrt und hatten den Fisch in Holzkisten herbeigetragen. Ich war soeben dabei, meine fünfte Schnur Heringe aufzufädeln, als zwei Männer auf schweißnassen Pferden in einer Staubwolke auftauchten und Worte brüllten, die ich nicht verstand. Sàra und Margaret, Simons Frau, sahen erschrocken in meine Richtung.
    »Eine Abteilung Dragoner nähert sich dem Dorf«, stammelte Sàra, die schrecklich blass geworden war, mit schwacher Stimme.
    Mir blieb fast das Herz stehen; Panik wallte in mir auf. Liam war nirgendwo zu sehen.
    »Wir müssen Liam finden!«, schrie ich und sprang auf, so dass die Fische mir vor die Füße fielen.
    »Lauf und such ein paar Vorräte und die Waffen zusammen«, befahl Sàra in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. »Ich sattle die Pferde. Ihr müsst euch in den Bergen verstecken! Wir treffen uns im Stall.«
    »Aber wir müssen Liam suchen!«, wandte ich ein.
    »Das werden andere übernehmen!«, rief sie und stieß mich in den Rücken. »Wir haben keine Zeit zu verlieren; die Dragoner werden in wenigen Minuten hier sein. Sie dürfen dich nicht finden... Sie werden dich als Köder benutzen, um Liam zu fangen. Und jetzt lauf!«

    Ich nahm die Beine in die Hand und rannte zu unserem Haus. Innerhalb weniger Minuten hatte ich den Proviant in einen Jutebeutel geworfen und Liams schweres Stahlschwert geholt. Seine spanische Muskete musste ich allerdings zurücklassen, da meine Arme schon schwer genug beladen waren. Seinen Dolch und seine Pistole, die er, wenn überhaupt, nur zum Schlafen ablegte, hatte Liam bei sich.
    Die Pferde standen bereit. Sàra hatte mir noch eine Decke an den Hinterzwiesel meines Sattels gebunden. Ich warf ihr einen verzweifelten Blick zu. Liam war immer noch nicht da.
    »Wenn sie ihn festnehmen...«, stammelte ich mit zitternden Lippen.
    »Hab Vertrauen zu ihm. So leicht lässt er sich nicht fangen«, versuchte Sàra mich zu beruhigen. »Du musst aufbrechen, Caitlin. Er wird zu dir stoßen, sobald er kann. Reite das Tal bis zu den Ruinen von Achnacone hinauf, und dann folge dem Fluss, der den Gleann Leac hinunterfließt. Sieh zu, dass du so weit wie möglich kommst. Liam wird dich schon finden; er kennt sich dort mit geschlossenen Augen aus. Nimm Stoirm mit, denn möglicherweise schlägt mein Bruder den Weg über den Meall Mor ein und kann sich sein Pferd nicht mehr holen.«
    Sie nahm meine Hände und drückte sie fest.
    »Beannachd Dhe ort, Caitlin. Möge Gott dich beschützen!«

    Rosafarbene und violette Wolkenstreifen überzogen den Himmel, und die Schatten auf dem Boden wurden länger. Ich begann zu verzweifeln. Mehrere Male musste ich mich zurückhalten, um nicht aus meinem Versteck hervorzukommen und ins Dorf zurückzukehren. Ich hatte mich in eine Felsnische geflüchtet, die gerade groß genug für die beiden Pferde und mich war. Jetzt waren schon mehrere Stunden verstrichen, die längsten, die ich je erlebt hatte.
    Mir war ganz übel vor Angst. Ich bezweifelte, dass Liam mich jemals finden würde... falls es ihm tatsächlich gelungen war, den Dragonern durch die Finger zu schlüpfen.
    Ich lehnte mich mit dem Rücken an den Fels, so dass mich niemand überraschen konnte, und hielt meinen Dolch in Reichweite.
Eine weitere Stunde verging. Ich stillte gerade meinen Durst an einer kleinen Quelle, die aus einer Felsspalte entsprang, als ich spürte, dass sich jemand hinter mir befand. Mit gezückter Waffe fuhr ich herum und fand mich Auge in Auge mit Liam wieder, der schweißüberströmt war und völlig erschöpft wirkte.
    »Ich dachte schon, ich würde dich vor Einbruch der Nacht nicht mehr finden«, keuchte er und zog mich an sich.
    »Wo bist du gewesen?«, stieß ich hervor, und meine ganze aufgestaute Anspannung brach sich in einem Wutanfall Bahn. »Ich warte schon seit Stunden in diesem Felsloch auf dich, ohne zu wissen, ob du... ob du...«
    Zornig und verzweifelt schrie ich auf und trommelte mit den Fäusten wie losgelassen auf seine Brust.
    »So beruhige dich doch«, gab er zurück und hielt meine Handgelenke fest. »Alles ist gut, es ist jetzt vorüber.«
    »Alles ist gut?«, kreischte ich.

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