Schwert und Laute
beschäftigt war, Teig auszurollen, sah gar nicht auf, sondern wies auf einen Berg Karotten, der neben ihr lag.
»Wenn du mir bitte diese Karotten schälst, Millie... Herr Jesus!«, rief sie dann aus und bekreuzigte sich.
Sie war aschfahl geworden, und aus Augen, die so rund wie Untertassen geworden waren, starrte sie mich sprachlos an. Dann schlug sie die weiß bemehlte Hand vor den Mund.
»Guten Tag, Becky«, stotterte ich leise und versuchte, mit meinen zitternden Lippen ein schwaches Lächeln zustande zu bringen.
»Was machst du hier, mein Kind?«, fragte sie schließlich, sobald sie sich von ihrer Überraschung erholt hatte.
Sie kam auf mich zu, wischte sich energisch die Hände an ihrer Schürze ab und umarmte mich fest.
»Haben sie dich laufen lassen, meine arme Kleine? Ah! Als wir erfuhren, dass dieser... Barbar dich entführt hat... Oh, ich habe zum Herrn gebetet, er möge dich beschützen, und heute danke ich ihm dafür, dass er mich erhört hat.«
Sie wich ein Stück zurück und musterte mich aufmerksam.
»Du siehst gut aus. Er hat dich doch nicht... Du weißt schon, was ich meine.«
»Mir geht es gut, Becky, mach dir um mich keine Sorgen. Man hat mich sehr gut behandelt, ich versichere es dir. Ich... ich würde gern wissen, was hier passiert ist, nachdem ich...«
Ich unterbrach mich. Durfte ich überhaupt von dem Mord an Dunning wissen? Becky schob mich zu einem Stuhl, auf den ich mich erleichtert fallen ließ, so sehr zitterte ich. Sie brachte mir ein Glas mit Mandelmilch und beschäftigte sich dann wieder mit ihrem Teig.
»Das war schrecklich, meine Kleine«, fuhr sie fort und verdrehte verstört die Augen. »Master Winston, ich meine der neue Lord Dunning, befand sich in einem furchtbaren Zustand. Sein armer Vater, so grauenhaft hingemetzelt! Er hat geschrien und ganz lästerlich geflucht. Ich hoffe ja nur, dass er nachher zur Beichte gegangen ist! Er hat dich überall gesucht. Und der arme Andrew war untröstlich! Man hat das Haus auf den Kopf gestellt, und schließlich hieß es, der Mann aus den Bergen hätte dich entführt.«
Zweifelnd sah sie mich an.
»So war es doch, oder?«
»Gewissermaßen, ja«, antwortete ich verlegen. »Wer hat Lord Dunning eigentlich gefunden?«
»Das war Winston, der arme Junge... Er war schrecklich mitgenommen. Sein Vater war aber auch in einem Zustand...«
Entsetzt starrte sie auf ihren Pastetenteig, als sähe sie dort die ganze Szene vor sich.
»Anscheinend war er bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt... Du kannst dich glücklich schätzen, dass dir nicht das Gleiche zugestoßen ist. Dieser Mann ist ein richtiger Teufel.«
»Und wie geht es Winston jetzt?«, fragte ich mit trockener Kehle.
»Nun ja, er hat den Titel und den Besitz geerbt. Er scheint sich recht gut von dem Erlebnis zu erholen. Er wird froh sein, dich wiederzusehen; deine Entführung hat ihn sehr betrübt.«
»Wirklich?«, fragte ich argwöhnisch.
»Aber ja!«, versicherte sie und streute Fleisch- und Zwiebelwürfel über ihre Pastete. »Er wollte jedem, der dich zurückbrächte, eine hohe Belohnung zahlen.«
»Eine Belohnung?«, vergewisserte ich mich ungläubig.
»In jener Woche ist sogar ein Captain von der Garde aus Dundee hergekommen und hat behauptet, dich gesehen zu haben. Lord Winston war sehr verärgert, weil der Soldat dich nicht mitgebracht hat.«
Mein Herz setzte einen Schlag aus, um dann heftig weiterzupochen. Mir wurde schwindlig, und ich hielt mich am Tischrand fest. Also suchte man doch nach mir... nicht offiziell, aber immerhin hatte Winston eine Geldsumme ausgesetzt, um mich zu finden... Warum?
Ich trank einen Schluck Mandelmilch, räusperte mich und fragte weiter.
»Und Lady Catherine?«
»Lady Catherine... also, ich würde behaupten, dass es ihr ziemlich gut geht.«
Sie sah sich vorsichtig um und fuhr dann in vertraulichem Tonfall fort.
»Merkwürdig, aber seit dem Tod ihres Mannes scheint ihr Befinden sich verbessert zu haben.«
»Merkwürdig, allerdings«, gab ich im selben Ton zurück.
So eigenartig war das nun auch wieder nicht! Dieser Mann musste sie ebenso terrorisiert haben wie mich. Ich hatte mich schon immer gefragt, ob sie nicht vorgegeben hatte, kränker zu
sein, als sie wirklich war, damit ihr sadistischer Ehemann sie nicht anrührte.
»Ist sie immer noch hier?«
»Aber ja; gerade jetzt müsste sie im Garten sein. Seit einer Woche geht sie täglich dort spazieren. Ich versichere dir, dass sie zu Kräften kommt; sie braucht nicht einmal mehr
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