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Schwert und Laute

Schwert und Laute

Titel: Schwert und Laute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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Mann, der da von Zuckungen geschüttelt am Seil baumelte, war niemand anderes als Liam gewesen.
    Ich stand früh auf, denn nach meinem bösen Traum hatte ich kein Auge mehr zutun können. Im Haus war noch alles still, als ich in die Küche hinunterging, um etwas zu essen. Liam hatte mir vor seinem Aufbruch ein paar Pfund dagelassen. Mit einem Teil davon hatte ich mir ein neues Kleid aus Wollstoff gekauft, dessen Blau dem Lavendel ähnelte, das ich so sehr liebte. Wie mir die Verkäuferin erklärt hatte, hob es meinen Teint und meine Haarfarbe vorteilhaft hervor. Der Rest des Geldes war für die Zimmermiete bestimmt. Ich hatte gerade noch genug übrig, um
die Hin- und Rückfahrt in einer Postkutsche nach Dundee zu bezahlen.
    Ich setzte mir eine Haube auf und legte mein Umschlagtuch über mein Kleid; dann brach ich auf, nachdem ich auf dem Tisch eine Nachricht an meinen Vater zurückgelassen hatte, in der ich ihn über die Gründe meines Weggehens in Kenntnis setzte, denn ich hatte keinen Grund, ihn anzulügen. Außerdem beruhigte ich ihn und stellte ihm in Aussicht, in spätestens drei Tagen zurück zu sein.
    Der Tag versprach, heiß und feucht zu werden, und meine Röcke klebten mir an den Beinen, als ich raschen Schritts nach Canongate strebte. Als ich das Tolbooth-Gefängnis mit seinem Uhrturm und den unheimlichen Pfählen passierte, die dazu bestimmt waren, dass man die Köpfe der Hingerichteten darauf spießte, ging ich schneller. Ich bog in die Whitehorse Close ein, die am anderen Ende von Canongate lag, und trat in das Whitehorse Inn. An diesem Gasthof hielten die Postkutschen, die aus London kamen.
    Das Glück war mir hold. In ungefähr einer Stunde sollte hier eine Kutsche ankommen, die anschließend nach Aberdeen weiterfuhr und natürlich Perth und Dundee passieren würde. Zwei Plätze waren noch frei.
    Auf der unbequemen Sitzbank der Kutsche wurde ich durchgeschüttelt und sehnte mich schon nach wenigen Minuten nach unseren langen Ritten durch die Heide zurück. Ich fand mich eingequetscht zwischen einem jungen Mann, der nach Alkohol stank und dessen Schnarchen alle Passagiere außer ihm selbst wach hielt, und einer Dame reiferen Alters mit einem rotznäsigen kleinen Jungen auf den Knien. Mir gegenüber saßen ein Priester mit ausgehöhltem Gesicht und ein eleganter, dickbäuchiger Herr, der mich ohne Unterlass ungehörig anglotzte.
    Ich war erleichtert, als Letzterer in Perth ausstieg. Weniger als eine Stunde später hatte ich Dundee erreicht. Beim Wirt der Herberge, an der wir ausstiegen, fragte ich nach der Richtung, die ich zum Herrenhaus einschlagen musste, und machte mich auf den Weg. Ich hatte etwa drei bis vier Meilen vor mir und würde Dunning Manor im Lauf des Nachmittags erreichen.

    Nervös lehnte ich mich an das schmiedeeiserne Gitter des Tors. Das im Renaissance-Stil errichtete Gebäude wurde an jeder Ecke von einem Türmchen flankiert. Die Fassade aus grauem Stein wurde von kleinen verglasten Fenstern aufgelockert, und ein hübsches Schieferdach krönte das Ganze. Erbaut hatte das Anwesen ein gewisser Hector, der erste Lord Dunning, um 1568, und es war 1657 von einem Brand beschädigt worden. Die Türmchen waren beim Wiederaufbau hinzugekommen. Das Herrenhaus befand sich seit vier Generationen im Familienbesitz, und nun war es in der fünften auf Lord Winston Dunning übergegangen.
    Ich war wieder zurück am Schauplatz meines Verbrechens, an dem Ort, an dem mir der Himmel auf den Kopf gefallen war und die Erde sich unter meinen Füßen aufgetan hatte. Ich schluckte schwer. Jetzt war es zu spät zum Umkehren. Auf keinen Fall konnte ich in dem Wissen weiterleben, dass ich nicht einen Finger gerührt hatte, um Liams Haut zu retten. Ich konnte mich immer noch auf Notwehr berufen... Als ob meine Aussage die Waage der Justiz zu meinen Gunsten beeinflussen könnte, dachte ich sarkastisch, wenn mein Zeugnis gegen das eines Mannes stand, dessen Familie vom König in den Adelsstand erhoben worden war!
    Ich ging um die Rückseite des Gebäudes herum bis zur Küchentür. Aus der offenen Tür drang die durchdringende Stimme von Becky, die den Hund ausschimpfte. Wahrscheinlich hatte er wieder einmal einen Schinken oder ein Brathuhn gefressen. Dieser verflixte Willie war listig wie ein Fuchs. Wenn man so unvorsichtig war, ein Stück Fleisch auf dem Tisch liegen zu lassen, dann schnappte es sich der Strauchdieb, kaum dass man ihm den Rücken gekehrt hatte.
    Leise trat ich in die Küche. Becky, die damit

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