Schwert und Laute
darüber debattieren.
Den Rest des Tages vertrieben wir uns die Zeit, so gut wir konnten. Oft wandten meine Gedanken sich Catriòna zu – denn so hieß das Mädchen -, die weiter in ihrem Zimmer eingesperrt saß und nur den Mann zu sehen bekam, der ihr die Mahlzeiten brachte. Ich hatte schon um Erlaubnis gebeten, mich ein wenig mit ihr zu unterhalten, um sie zu zerstreuen, doch man hatte mir die Bitte abgeschlagen. Es kam nicht in Frage, mit dem Feind zu paktieren.
Am Nachmittag des folgenden Tages waren Liam und ich zu einem Spazierritt zu den Ruinen der Burg von Achallader aufgebrochen, einem von Breadalbanes Besitztümern. Die Männer aus Glencoe, Keppoch und Appin hatten sie nach dem ersten jakobitischen Aufstand im Jahr 1689 auf ihrem Rückzug von Killiecrankie angezündet. Von dem Gebäude war nur noch ein Skelett aus geschwärzten, inzwischen verwitterten Steinen übrig, die von einem Mantel aus Moos und Flechten überzogen waren.
»Warum habt ihr die Burg angezündet?«, fragte ich und zupfte einer Margerite die Blütenblätter aus.
Ich ließ die Blätter auf Liams Brust fallen. Er lag vor mir und hatte den Kopf bequem auf meine Schenkel gelegt. Er öffnete ein Auge, um mich anzusehen, und schloss es gleich wieder.
»Weil wir den Befehl dazu erhalten hatten. Colonel Cannon fürchtete, General Mackay könnte sie als Garnison benutzen.«
Er lächelte mir listig zu.
»Wahrscheinlich hätten wir sie auf jeden Fall angezündet.«
»Alles andere hätte mich auch überrascht«, grummelte ich.
Ich fuhr mit den Fingern durch seine Mähne, die in der Sonne in einem warmen Kupferton aufleuchtete. Er quittierte die Liebkosung mit einem leisen Brummen und schlug die blauen Augen zu mir auf.
»Am selben Tag haben wir den größten Überfall auf Glenlyon unternommen, den es je gegeben hat. Wir haben das ganze Tal ausgeraubt, von Fortingall bis zum Loch Lyon. Glencoe hat Chesthill übernommen, die Domäne des Laird, Keppoch hat sich um den Besitz seines Bruders, Cambuslay, gekümmert, und Robert Stewart um den westlichen Teil des Tals.«
»Warum? Die Schlacht hattet ihr doch schon gewonnen, und die Campbells hatten nicht einmal daran teilgenommen. Wieso habt ihr euch ausgerechnet gegen sie gewandt?«
»Wir hatten Oktober. Wir waren seit dem Frühsommer fort gewesen und hatten uns nicht um unser Vieh und unsere Felder kümmern können. Wir sind Soldaten, und der magere Sold reicht nicht aus, um die Verluste eines Feldzugs im Sommer auszugleichen. Das ist eben die Art, uns das zu beschaffen, was wir brauchen, um den Winter zu überstehen.«
Ich runzelte die Stirn.
»Da braucht man sich eigentlich nicht zu fragen, warum die Campbells etwas gegen euch haben...«
Seine Miene verdüsterte sich, und er richtete den Blick auf meine entblätterte Margerite.
»Du meinst, dass wir in gewisser Weise an unserem Unglück selbst schuld sind?«
»Ich... So habe ich es nicht gemeint, Liam.«
»Mach dir keine Gedanken. Ich habe mir diese Frage auch schon gestellt«, murmelte er und streichelte zerstreut meinen Fußknöchel. »Ich kann die Uhr nicht zurückdrehen. Was wir getan haben, ist nicht mehr zu ändern. Und selbst wenn wir dieses Tal nicht verwüstet hätten, bezweifle ich, dass das etwas am Schicksal unseres Clans geändert hätte. Seit mehr als tausend Jahren haben unsere Vorfahren so gelebt, und die der Campbells ebenfalls. Es liegt uns im Blut, mo chridhe. Ich glaube aber schon, dass diese Zeit vorüber ist. Wir müssen uns etwas anderes suchen.
Den Handel vielleicht? Aber hier in den Highlands gibt es nur das Vieh. Es ist unsere wichtigste Einnahmequelle, da man in den Bergen keinen Ackerbau treiben kann wie in den Lowlands. Ich weiß es nicht... Nun ja, im Moment schmuggle ich ein wenig.«
»Ein Teufelskreis«, meinte ich und ließ das letzte Blütenblatt auf seinen Hals segeln.
Eine warme Brise aus Südwest wellte das Gras und die Heidebüsche. Ich schloss die Augen und überließ mein Gesicht der sanften Liebkosung des Windes, bevor ich ein anderes Thema ansprach, das mich seit dem gestrigen Tag beschäftigte. Liam kaute mit geschlossenen Lidern auf einem Grashalm. Seine kupferfarbenen Locken rahmten sein von der Sonne golden getöntes Gesicht ein wie ein Heiligenschein. Ich legte die Hand auf seine warme Wange.
»Liam...«
»Mmja ...«, antwortete er träge.
»Ich möchte, dass du mir zeigst, wie man mit einer Pistole umgeht«, erklärte ich vorsichtig.
Sein Kiefer verspannte sich unter meiner Hand.
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