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Schwert und Laute

Schwert und Laute

Titel: Schwert und Laute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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entsetzlicher Albtraum quälte mich. Das Weinen meines Kindes gellte mir unablässig in den Ohren. Panisch lief ich durch den dunklen Wald und rief nach ihm. Aus dem Nichts tauchten Hindernisse auf und versperrten mir den Weg. Ich strauchelte und fiel in einen klebrigen Schlamm, der mich nicht losließ. Weiß leuchtende Windeln schwebten durch die Luft und umkreisten mich. Ich streckte den Arm aus und ergriff eine davon. Sie war schwer; etwas war darin eingewickelt. Ich schlug den Stoff auf und fuhr entsetzt zurück. Ein stark verwester Säugling sah mich an und streckte suchend die schwärzlichen Hände nach mir aus. Er hatte zu schreien begonnen.
    Von Grauen geschüttelt setzte ich mich auf dem von Zweigen bedeckten Untergrund. Sobald ich mich beruhigt hatte, erleichterte
ich meine geschwollenen, schmerzenden Brüste. Mir traten die Tränen in die Augen, als ich zusah, wie die kostbare Milch davonspritzte und im Boden versickerte. Ob Duncan wenigstens zu trinken bekam? Ich hörte auf und sagte mir, dass er großen Hunger haben würde, falls wir ihn morgen früh fänden. Nachdem ich mein Kleid wieder gerichtet hatte, legte ich mich erneut hin und rollte mich zusammen, um wenigstens einen Teil meiner Körperwärme zu bewahren.
    Wir hatten ein provisorisches Lager am Fuß der Mamore-Bergkette aufgeschlagen, die das Nordufer des Loch Leven beschattete. Kurz nach unserem Aufbruch hatten die Männer des Clans eine Spur entdeckt. Einige schlammige, formlose Fußabdrücke, die nichts Genaues erkennen ließen, aber sie hatten zum Loch Leven geführt.
    Wir waren am Wasser entlanggeritten, in der Hoffnung, dass der Entführer auf den Gedanken gekommen war, diesen Weg einzuschlagen. Es wäre zu gewagt gewesen, mit einem Säugling den Pap von Glencoe zu ersteigen. Wenn man rasch flüchten wollte, war der Wasserweg über den Loch die beste Lösung, selbst wenn man Gefahr lief, gesehen zu werden. Wir hatten Spuren am Ufer gefunden. Offensichtlich war ein Boot zu Wasser gelassen worden, und wir sahen auch frische Fußspuren, aber nichts, das eindeutig gewesen wäre. So kamen wir bis Kinlochleven, wo wir Halt gemacht und einen Imbiss eingenommen hatten. Liam hatte beschlossen, die Gruppe aufzuteilen. Ein Teil der Männer würde Richtung Osten gehen, und der andere sollte die Mamores durchkämmen.
    Dann war es über den Bergen und in den Wäldern pechschwarze Nacht geworden, und wir hatten unsere Suche unterbrechen müssen. Wir hatten ein Lager aufgeschlagen, primitive Unterstände aus Ästen errichtet und Feuer darunter angezündet, an denen wir geräuchert wurden wie Schinken. Heute Abend hatten wir keine Lieder gesungen oder lustige Geschichten erzählt. Ich hatte mich früh zurückgezogen, um im Schlaf Vergessen zu finden – eine Hoffnung, die sich als vergeblich erwiesen hatte.
    Jetzt schickten wir uns an, erneut aufzubrechen. Die Feuer
waren gelöscht und das Gepäck war auf den Pferden verstaut. Durch den Schlafmangel und die Angst war ich äußerst dünnhäutig. Ständig suchten meine leeren Arme nach dem Kind, das dort hineingehörte. Liam war viel später in der Nacht zu mir gekommen, nachdem er mit den Männern besprochen hatte, welche Plätze sie überprüfen wollten. Lange hatte ich an seiner Brust geweint und dann völlig entkräftet gegen Morgen endlich ein wenig Ruhe gefunden.
    Wir würden auf Cameron-Gebiet vordringen und mussten daher gewisse Vorkehrungen treffen. Die Männer hielten die geladenen Waffen in Reichweite und waren jederzeit bereit, sie abzufeuern. Seit Laing Craig war MacSorley unauffindbar geblieben. Liam hatte sich geschworen, ihn zu jagen, bis er ihn in die Hände bekam. Der Clan hatte sogar Expeditionen auf das Territorium der Camerons organisiert, um ihn aufzuspüren, doch ohne jedes Ergebnis. Jetzt fürchtete Liam, er könne seinerseits versuchen, sich an uns schadlos zu halten.
    Einige hatten sogar gemeint, er könne der Entführer sein, aber Liam war skeptisch. Er glaubte nicht, dass Thomas so verwegen sein würde, sich auf unser Gebiet zu wagen, da er wusste, was ihn dort erwartete, indes... Wer konnte sich da vollständig sicher sein? Im Moment war er jedenfalls der Einzige, bei dem wir einen Grund für einen Verdacht hatten.
    »Also, dieser Hund macht mich wahnsinnig!«, beklagte sich Patrick, dessen Stimme durch seine verstopfte Nase ganz dumpf klang.
    Von meinem Pferd aus beobachtete ich Seamrag, der einen Baum ankläffte, und schüttelte enttäuscht den Kopf. Dieser Hund schien wirklich

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