Schwert und Laute
habe, Caitlin. Werdet die meine.«
Von neuem suchten mich seine Lippen, doch ich wich ihnen aus und wandte mich ab. Er hielt inne und erstarrte in kaum verhohlener Enttäuschung. Sein Atem ging stoßweise und strich über meine Wange, und ich wünschte mir mehr als alles andere, ich könnte mich ihm ergeben. Gewiss, Colin war äußerst gut aussehend, lustig und zuvorkommend, aber mir war soeben klar geworden, dass ich mit Liam zusammen sein wollte. Besser, mich sofort zurückzuziehen. Doch Colin missdeutete meine Weigerung.
»Es tut mir leid«, sagte er nach kurzem Schweigen. »Das hätte ich nicht tun dürfen. Nach dem, was Ihr in jenem Haus erlebt habt, braucht Ihr Zeit.«
Der Schatten des Galgens verdunkelte den vergänglichen Glücksmoment, den ich gerade erlebt hatte. Ich schloss die Augen. Ich musste Schottland unbedingt verlassen. Wenn ich noch blieb, zögerte ich den Abschied nur sinnlos hinaus. Und wenn ich Colin in sein Tal folgte, verurteilte ich ihn wahrscheinlich dazu, mit mir aufs Schafott zu steigen, und das wollte ich nicht.
Er streichelte mein Haar, dann zog er mich hoch, und wir gingen den Weg hinab, der zum Feuer führte. Bei unserem Eintreffen drehten sich die Männer um. Ich ignorierte die begehrlichen Blicke und die wenig schmeichelhaften Bemerkungen, die uns trafen, und tat, als sähe ich Liams kalte, vorwurfsvolle Miene nicht, obwohl sie mir das Herz zerriss. Ich schmiegte mich in Colins warme Umarmung und verschloss die Augen vor der grausamen Welt, die mich umgab.
»Schlaft, meine Schöne. Ich werde auch heute Nacht über Euch wachen. Ihr braucht Euch keine Sorgen zu machen.«
»Danke.«
Mit wild pochendem Herzen und schweißüberströmt wachte ich auf. Ich musste einen Albtraum gehabt haben. Etwas Schweres drückte auf mein Bein, so dass ich es nicht bewegen konnte. Ich streckte eine Hand unter meinem Umhang hervor. Die Kälte war schneidend. Ich betastete den Gegenstand, der auf mein ertaubtes Bein drückte, und traf auf eine weiche und warme Oberfläche. Sie begann sich zu bewegen und rutschte an meinem Schenkel hinauf. Ich unterdrückte einen entsetzten Aufschrei und bemerkte dann, dass es sich um ein Männerbein handelte. Das Blut schoss mir in die Wangen, und ich wandte den Kopf, um festzustellen, wer der Besitzer war. Liam... Er schlief und hatte sich mit seinem Plaid zugedeckt. Aber was hatte er hier zu suchen? Im Licht des heruntergebrannten Feuers konnte ich seine Gesichtskonturen deutlich erkennen. Sein kantiger Kiefer und seine gerade, schmale Nase verliehen ihm eine aristokratische Ausstrahlung. Sein Mund war fein gezeichnet, und seine Lippen wirkten voll und sinnlich ...
Ich überraschte mich bei lüsternen Gedanken. Vorsichtig legte ich die Hand auf seinen Schenkel. Seine Haut fühlte sich weich und tröstlich an. Wie war es bloß möglich, dass er so warm war? Die Nacht war eiskalt. Hinter meinem Rücken bewegte Colin sich leise. Die beiden Brüder bildeten einen Schutzwall um mich, und unter meinem Umhang badete ich in einer köstlichen Wärme. Ich kämpfte die Empfindungen nieder, welche die körperliche Nähe in mir auslöste, und schloss erneut die Augen.
Mit einem Mal wurde ich aus meinen Träumen gerissen und fühlte mich in die Luft gehoben. Der entsetzte Schrei, der mir über die Lippen kommen wollte, wurde von einer Handfläche, die über meinem Mund lag, erstickt. Mit vor Bestürzung aufgerissenen Augen versuchte ich, die Dunkelheit zu durchdringen, um festzustellen, wer mich trug. Colin flüsterte mir ins Ohr und gebot mir Schweigen. Das Lager war umzingelt. Ich geriet in Panik. Colin setzte mich in der Nähe des Karrens ab. Die Männer waren alle aufgesprungen und bildeten, das Schwert in der einen und einen langen Dolch in der anderen Hand, einen Kreis um mich. Das Herz klopfte mir zum Zerspringen.
Ich sah einen Schatten, der den Weg, der zur Anhöhe führte, überquerte, und einen anderen, der von einem Baum zum anderen sprang. Wir wurden angegriffen. Ich schickte mich an aufzustehen. Liam, den ich von hinten sah, fuhr heftig herum und durchbohrte mich mit einem bösen Blick. Ich zog meinen Umhang unter dem Kinn zusammen und machte mich so klein wie möglich.
»Bleibt, wo Ihr seid, Mistress. Ich weise Euch darauf hin, dass wir es dieses Mal nicht mit der Garde zu tun haben. Dieses Mal will ich Euch nicht noch einmal dabei erwischen, wie Ihr mir ungehorsam seid; dann werden die Folgen nämlich ganz andere sein. Legt Euch auf den Boden, da gebt Ihr
Weitere Kostenlose Bücher