Schwert und Laute
Kopf in seine Schulterbeuge und legte seine behaarte Wange an meine Stirn. Seine Wärme umhüllte mich wie ein molliger, dicker Wollmantel. Ich konnte nicht anders, als mich an ihn zu pressen und mich an dieser Wärme, die mir so sehr fehlte, zu sättigen. Das Gefühl brach mir das Herz und schnürte mir die Kehle zusammen, und ich biss mir auf die Lippen, um ein Schluchzen zu unterdrücken. Dann füllten sich meine Augen mit Tränen. Sie kamen, ohne dass ich ihnen Einhalt hätte gebieten können. Aber wollte ich das überhaupt? Sie rollten herab und benetzten meine Wangen und sein Hemd, von dem ein beißender Rauchgestank und noch ein anderer, eher moschusartiger Duft ausgingen. Ein männlicher Geruch. Ich weinte meine ganze Trauer heraus, die ich seit jenem Tag unterdrückt hatte, da man mir meinen wertvollsten Besitz geraubt hatte, meine Unschuld. Mit einem Mal spürte ich das Bedürfnis, die Schleusen zu öffnen und der Flut, die meine Kindheit ertränkt hatte, freien Lauf zu lassen. Colin bot mir die Arme, die ich bei Nacht in meinen Albträumen so oft gesucht hatte, ohne sie je zu finden. Die Umarmung meines Vaters.
Colin drückte mich an sich. Sein Bart liebkoste mein Gesicht, ein sanftes, von Whiskyduft getränktes Gestrüpp. Wie eine Katze auf der Suche nach Zuneigung rieb ich mich an seiner Wange.
»Müsst Ihr wirklich fort, Caitlin?«
»Hier gibt es für mich nichts als einen Strick. Ich habe keine andere Wahl.«
»Wenn Ihr mit mir in mein Tal kommt, werde ich einen Weg finden, Euch zu beschützen.«
Seine leise Stimme hatte eine Saite in meinem Herzen angeschlagen. Er bot mir eine Wohnstatt, seinen Schutz und sicherlich noch viel mehr. Das verführerische Angebot ließ mich erzittern ...
»Das könntet Ihr nur eine Zeit lang, Colin«, wandte ich dennoch ein. »Das wisst Ihr genau. Die Leute reden. Irgendwann käme alles heraus. Ich kann mich nicht für den Rest meines Lebens verstecken.«
Er legte die Hände um mein Gesicht und hob es dem seinen entgegen. In der Dunkelheit konnte ich seinen Blick nicht erkennen, doch ich spürte sein ganzes Gewicht.
»Auch in Irland könnt Ihr Euch nicht für den Rest Eurer Tage verbergen, Caitlin. Was wollt Ihr dort anfangen? Euer Vater ist hier, und Eure Brüder ebenfalls ...«
»Ich habe dort noch ein wenig Familie.«
»Bleibt bei mir, hier. Meine schöne Irin... Bleibt...«
Sein Mund suchte den meinen, bemächtigte sich seiner und erforschte ihn. Das Gefühl war angenehm, wenngleich verwirrend, und ich ließ ihn gewähren. Mir war vollständig gleich, was er von mir denken mochte, von meinem wenig tugendhaften Verhalten. So groß war mein Bedürfnis nach Zärtlichkeit.
Ich hatte immer nur vorgetäuschte Liebesgesten gekannt, unangenehme, oft sogar brutale Berührungen bar jeden Gefühls, und hatte die grausamen Nachwirkungen ausgestanden und in der Folge meine Kindheit zu Grabe getragen. Doch ich wusste, dass in den Augen eines Mannes auch anderes stehen konnte als Perversität, ein tieferes Begehren als bloße fleischliche Lust. Ich hatte es bei meinem Vater gesehen, denn er hatte meine Mutter geliebt. Plötzlich verzehrte ich mich nach dieser Art von Liebe, die aus dem Herzen kommt, den Geist tröstet und die Seele rettet. Eine Liebe, die nicht über den anderen urteilt. Ich brauchte sie so unbedingt wie die Luft zum Atmen.
Ich klammerte mich an Colins Hemd und schmiegte mich in seine Arme, willig und fieberhaft. Ermutigt wagte er es, eine Hand
auf mein gelockertes Mieder zu legen. Er küsste meine Wangen, die in diese von tausend Schmerzen gesättigten Tränen gebadet waren, und trank von ihnen. Mein Schmerz benetzte seine Lippen. Er flüsterte meinen Namen, so dass er meine Ohren streichelte wie eine Brise. Schauer liefen mir über den Rücken. Einige der Bilder, die mir durch den Kopf huschten, ließen mich erröten.
Verlegen ertappte ich mich dabei, dass ich an Liam dachte. Wieder sah ich, wie er mit tropfendem Kilt im Bach stand. Als sich da sein Blick auf mich gerichtet hatte, da hatte ich einen köstlichen Schauer empfunden, genau wie in diesem Moment. Ich hatte geglaubt, er werde mich küssen, doch er hatte es nicht getan, und ich war erleichtert und enttäuscht zugleich gewesen, denn ich wäre nicht in der Lage gewesen, ihn abzuweisen.
Hin- und hergerissen schob ich Colin sanft zurück. Er widersetzte sich und presste mich fester an sich.
»Nein, Colin... Das ist nicht gut.«
»Warum? Ich begehre Euch, wie ich noch nie eine Frau begehrt
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