Schwert und Laute
verschlossen.«
»Das ist mir auch aufgefallen.«
Ihr Blick verlor sich in den Flammen des Torffeuers.
»Er war nicht immer so, weißt du. Erst seit dem Massaker. Gewiss hast du davon gehört.«
»Hmmm...«, nickte ich zustimmend.
»Wir haben dabei unseren Vater und unsere Schwester verloren,
Ginny. Und Liam... seine Frau Anna und seinen Sohn. Hat er dir davon erzählt?«
Ich war zu überwältigt, um zu antworten, und schüttelte nur den Kopf.
»Seitdem hat er sich mit seinen Gespenstern eingeschlossen wie in einem Grab. Natürlich haben wir versucht, ihn aus diesem Zustand herauszuholen. Verstehst du, es ist nicht gesund, so zu leben. Aber er besteht darauf, und nichts kann ihn mehr zum Lachen bringen. Und was die Frauen angeht...«
Sie zuckte lässig die Schultern.
»Da du nicht seine Liebste bist, kann ich es dir ruhig sagen. Sie lassen ihn gleichgültig, nehme ich an. Sie sind nicht mehr und nicht weniger als flüchtige Begegnungen. Ich glaube, dass er Anna immer noch im Herzen trägt und ihn das daran hindert, wieder zu lieben. Da ist vielleicht Meghan, aber wenn du meine Meinung hören willst, dann ist sie keine Frau für ihn.«
Um sich deutlicher zu erklären, wies sie mit einem Finger auf ihren Bauch und klopfte sich mit dem anderen an die Schläfe.
»Du weißt schon, alles hier und nichts da oben.«
Sie legte eine Pause ein und betrachtete mich, wobei sie zweifelnd die Nase kraus zog.
»Du bist dir ganz sicher, dass dich nichts weiter mit ihm verbindet?«
»Kaum, dass er mit mir spricht.«
»Hmmm...«
Ihr schwesterlich besorgter Blick musterte mich eingehend.
»Na ja, einen Moment lang habe ich geglaubt, da sei etwas zwischen euch, aber wenn du es sagst...«
Gedämpft fiel die Sonne durch den Jutestoff, der vor dem Fenster hing. Die Hütte lag im Halbdunkel. Ich drehte den Kopf, um mich in dem Raum umzusehen. Ich war allein. Das Fieber war gefallen, und heute Morgen vermochte ich klarer zu denken. Wie lange war ich wohl schon hier? Drei, vier Tage? Ich wusste es nicht genau. Mein Verstand war so sehr damit beschäftigt gewesen, sich von der Welt, die mich umgab, abzuschotten, dass ich nur ein
ein paar unzusammenhängende Eindrücke aufgeschnappt hatte, die ich unmöglich zu einem Ganzen zusammensetzen konnte. Sära und Effie hatten mir zu essen gegeben, meine Wunden gereinigt und meine Verbände gewechselt. Liam und Colin waren jeden Tag gekommen, um sich nach mir zu erkundigen. Letzterer war gelegentlich ein wenig geblieben, um mit mir zu plaudern, und hatte sich keine Gelegenheit entgehen lassen, mich zu berühren.
Die meiste Zeit hatte ich geschlummert. Oft war mein Schlaf traumlos gewesen, aber häufig hatten mich auch furchtbare Albträume heimgesucht, aus denen ich schreiend erwacht war. Sàra hatte mich geschüttelt und aus bestürzt aufgerissenen Augen angesehen, aber ich konnte mich nie an meine Träume erinnern. Vielleicht war es besser so.
Ich stützte mich zuerst auf einen Ellbogen und setzte mich dann auf. Das Bett roch nach einer Mischung aus männlichen Ausdünstungen und Kiefern. Erregt hatte ich Liams Duft erkannt. Mein steif gewordener Körper gehorchte mir nur schwer, und ich bewegte mich langsam. Trotz des Feuers, das im Kamin brannte, zitterte ich, als ich den kalten Boden unter den Fußsohlen spürte, doch das tat mir gut.
Die Kate war klein, aber sehr gepflegt. An der Wand standen einige abgewetzte Holzbänke. In der Mitte des Zimmers thronten ein Tisch und Stühle. In der Nähe der Tür erhob sich der große Schrank, der wahrscheinlich als Vorratsschrank diente, und unter dem Fenster befand sich ein Hackblock. Auf dem kleinen Büfett bewahrte Sära unter einem Leinentuch Brot und Käse auf, und darüber stapelte sich auf Regalbrettern ordentlich das Geschirr. Ein Wandschirm aus Flechtwerk verbarg Sàras Bett.
Alles hier atmete Ruhe und Stille, ganz anders als die Unterkunft, die ich mit meinen Brüdern, meinem Vater und Tante Nellie geteilt hatte. In Belfast verlief das Leben hektisch. Es war eine Stadt, in der es von Menschen nur so wimmelte, von Reichen und Armen, vornehmen Herren und Bettlern. Ich war mit dem vielstimmigen Lärm einer Hafenstadt aufgewachsen, die selten schlief. Über Tag waren die Kaufleute, die Handwerker und die gewöhnlichen Menschen unterwegs, und bei Nacht überließen
sie ihren Platz den Seeleuten, den Hafenarbeitern und den käuflichen Mädchen.
Einen Moment lang schloss ich die Augen und dachte zurück an das Gewirr aus Straßen und
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