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Schwert und Laute

Schwert und Laute

Titel: Schwert und Laute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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Gässchen, eine labyrinthische Welt, in der mein Bruder Patrick und ich auf Abenteuer auszogen. Da war auch der Hafen gewesen, wo Dutzende von Schiffen vor Anker lagen, und der Markt mit seinen Ständen, welche die Straße am Platz säumten und Fisch, Fleisch und andere Waren feilboten. Wenn der Wind vom Meer kam, war er feucht von der Gischt, die er herantrug. Überall lag der Salzgeruch in der Luft. Doch ebenso allgegenwärtig waren die Ekel erregenden Gerüche, die ständig durch die von Abfällen übersäten Gassen wehten, in denen unsere Schuhe im Morast stecken blieben. Wer sich dorthin wagte, war ständig auf der Hut, um nicht den Fuß in menschliche Hinterlassenschaften zu setzen oder sie über den Kopf geschüttet zu bekommen.
    Eine witzige Erinnerung stieg in mir auf, und ich lächelte. Ich war meinem Bruder Patrick durch eine dieser unzähligen Gassen nachgerannt, die wir wie unsere Westentasche kannten. Er hatte soeben dem Gemüsehändler ein paar Kartoffeln stibitzt, doch plötzlich war er vor mir wie angewurzelt stehen geblieben. Aus seinen Haaren troff es, und seine Schultern waren mit ziemlich... abstoßenden Dingen bedeckt. Er hatte einige Sekunden gebraucht, um zu begreifen, was geschehen war, und mir war es nicht anders gegangen. Dann hatte sich ein wahnsinnig komischer Ausdruck über sein verblüfftes Gesicht gebreitet. Ich schüttete mich vor Lachen aus und konnte einfach nicht aufhören, was meinen Bruder in rasende Wut versetzte. Wenn seine Blicke hätten töten können, dann wäre ich an diesem Tag auf der Stelle umgefallen. Drei Tage hintereinander weigerte er sich, ein Wort mit mir zu sprechen und drohte, mir das gleiche Los zu bescheren, wenn ich je wieder davon anfing, was ich dann auch nicht wagte.
    Langsam erhob ich mich, stützte mich auf eine Stuhllehne und wartete, bis mein Schwindelgefühl verging. Vorsichtig zog ich mich an. Meine Verletzung schmerzte stark und hinderte mich in meinen Bewegungen. Sàra hatte mir ein neues Hemd in einem
schönen Safrangelb geschenkt, das rund um den Ausschnitt mit blauen Blumen bestickt war.
    Draußen herrschte herrlicher Sonnenschein. Ich wollte ein wenig frische Luft schnappen, da mich der Rauch des Torffeuers fast erstickte und meine Augen zum Tränen brachte. Daher legte ich mir das Tuch über die Schultern und trat aus der Kate. Das Licht des Tagesgestirns fühlte sich auf meiner Haut wohltuend und warm an, und ich genoss das Gefühl ein Weilchen, bevor ich mich zu einer Gruppe Birken begab, die einen grasbewachsenen Hügel krönten. Etwas weiter entfernt, am Ufer des Coe, errichteten ein paar Dorfbewohner auf einem mannshohen Rechteck aus Bruchsteinen das Dach einer neuen Hütte.
    Ich legte mich im Schatten der Birken in das frische Gras. Oberhalb von mir balzten zwei Bachstelzen mit leuchtend gelben Bäuchen. Das an seiner schwarzen Kehle zu erkennende Männchen traktierte das Weibchen, indem es ohne Unterlass piepte und es unermüdlich mit den Schwanzfedern wippend umkreiste. Vielleicht diente dieser Tanz dazu, das Weibchen in seinen Bann zu schlagen.
    Ein Wiehern riss mich aus meinen Beobachtungen, und ich setzte mich auf und kniff die Augen zusammen, da mich das grelle Sonnenlicht blendete. Ein Reiter, der ohne Sattel auf einem herrlichen Fuchs saß, hatte eine wunderschöne Frau mit feuerrotem Haar bei der Hand gefasst. Der lockige braune Schopf, auf dem kupferfarbene Reflexe glitzerten, fiel ihm offen über die Schultern. Liam beugte sich über die hochgewachsene, schlanke Gestalt der Frau, als wolle er ihr etwas ins Ohr flüstern, es sei denn, er küsste sie. Die Frau streckte eine Hand aus, um eine Strähne, die ihm in die Augen fiel, zurückzustreichen, und nutzte die Gelegenheit, um seine Wange zu liebkosen. Wer war sie? Seine Liebste? Mein Herz tat einen Satz.
    Die Frau wühlte in dem Korb, den sie am Arm trug, und zog einen Apfel hervor, den sie ihm reichte. Er lachte, nahm die Frucht und biss herzhaft hinein. Ich fühlte mich nicht mehr wohl und wünschte mir, ich wäre an einem anderen Ort. Am liebsten wäre ich geflüchtet und zu Sàras Hütte zurückgelaufen, doch ich blieb unbeweglich stehen. Liam schlug die Hacken in die Flanken
des Tiers, das schnaubte und den Kopf hochriss. Die Rothaarige trat einen Schritt zurück, und der Reiter wendete sein Tier und ritt im Galopp davon, nachdem er eine Hand zum Gruß gehoben hatte. Die Frau sah ihm einige Augenblicke nach, dann drehte sie sich um und ging davon, auf die Hügel zu.
    Liam

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