Schwert und Laute
beugte sich über mich und sah mich aus seinen blauen Augen an. Ich zitterte vor Fieber. Er hob mich auf seine Arme und setzte mich auf ein anderes Bett, wo er mich mit dem Rücken an ein Kissen lehnte.
»Alles wird gut, Caitlin.«
»Es tut so weh...«
»Ich weiß.«
Er gab mir ein wenig Wasser zu trinken, das meine aufgesprungenen Lippen und meine trockene, brennende Kehle netzte. Glencoe... das Massaker von Glencoe... Jetzt erinnerte ich mich, und ein eisiger Schauer überlief meinen Rücken. Die verkohlten Ruinen... Der Skandal des Massakers von Glencoe, die Auslöschung eines Clans, der Macdonald des MacIain, die Viehdiebe von der übelsten Sorte gewesen waren. So hatte es jedenfalls allenthalben geheißen. Eine Plage für Schottland und England. Diese verfluchten Highlander, die sich gegenseitig umbrachten und einen katholischen König, der im Exil lebte, unterstützten. Man hatte für die anderen aufständischen Clans ein Exempel statuieren wollen und diesen Clan, diese Brutstätte, von der das schlimmste Ungeziefer des britischen Königreichs ausging, von der Karte der Highlands getilgt.
Ich wusste nicht viel über dieses Massaker, nur das, was meine Brüder in den Tavernen und Kaffeehäusern von Edinburgh hatten erzählen hören. In Edinburgh war das Ereignis in aller Munde gewesen. Skandal!, schrien die Jakobiten. Gut gemacht!, riefen die unbeirrbaren Parteigänger des Hauses Nassau. Das Thema ließ niemanden gleichgültig. Und Liam und seine Leute waren Überlebende aus diesem düsteren Tal, dem Tal von Glencoe, dem Tal der Tränen.
Immer noch sah er mich aus seinen blauen, so blauen Augen aufmerksam an. Sein forschender Blick schien bis in meine Seele zu dringen. Er legte die Hand auf meine Wange. Sinnlos, es länger
zu leugnen; dieser Mann übte eine magische Anziehung auf mich aus. Er hatte etwas in mir erweckt, vielleicht nur ein rein körperliches Begehren, oder etwas, das ich mir selbst zusammenträumte... Dennoch bebte ich am ganzen Körper, wenn er mich ansah, wenn er mich berührte.
Die Tür öffnete sich, und eine kleine, zarte und gebeugte Gestalt hob sich im Gegenlicht ab. Eine Frau, deren Gesicht faltig wie ein alter, schrumpliger Apfel war, näherte sich mir. Sie lächelte mir zu und enthüllte einen zahnlosen Mund. Das musste die alte Effie sein. Die Bean-sith schlug meinen Rock zurück und entfernte mit ihren knotigen Fingern meinen schmutzigen Verband. Als sie die Wunde untersuchte, verzog sie das Gesicht.
»Fuich!«, stieß sie angeekelt hervor. »Meine Kleine, wir müssen diese Wunde säubern, bevor die Entzündung sich ausbreitet!«
»Säubern?«, murmelte ich.
Ich wusste, was es hieß, eine eiternde Wunde zu reinigen. Immer noch hörte ich die Schreie meines Bruders in unserer Wohnung in Belfast. Eine englische Klinge hatte ihm in der Schlacht von Aughrim die linke Hand abgetrennt. Er hatte Wundbrand bekommen, und man hatte ihm den Arm direkt unterhalb des Ellbogens amputieren müssen. Ein Arm für König James II. Er war unserem geschlagenen König nicht zusammen mit den »Wildgänsen« – denn so nannte man die irischen Soldaten, die mit König James II. von Schottland ins Exil gegangen waren – nach Frankreich gefolgt.
Effies Finger betasteten mich. Sie brummte unverständliche Worte und befühlte meine Verletzung, was mir einige schwache Seufzer entlockte. Dann blieben ihre vom Alter gezeichneten Finger auf meinem Leib liegen. Sie schwieg und sah mich kurz an. Ihr durchdringender Blick erforschte den meinen. Panik wallte in mir auf. Sie wusste es... Sie sah alles. Die Hände dieser Hexe konnten sehen. Rasch zog sie sich zurück, als hätten unsere Seelen sich in einer anderen Welt verständigt.
»Habt Ihr Schmerzen, Kleine?«
»Ja...«
»Ihr tragt Wunden, die viel tiefer reichen als diese da, wisst Ihr«, sagte sie und deutete auf meine Verletzung. Aus ihren flinken
kleinen Augen, die unter schweren Lidern lagen, sah sie mich eindringlich an.
»Ich weiß.«
Sie nickte. Diese Frau las in mir wie in einem Buch. Ich erschauerte, und die Härchen auf meinem Unterarm stellten sich auf. Eine Bean-sith.
»Gut, dann gehen wir es an. Haltet sie fest, denn sie wird sicher ein Tänzchen aufführen, und das ist nicht der richtige Moment dazu«, befahl sie, an Liam gerichtet.
Er klemmte mein Bein zwischen seine Knie, dann umschloss er meine Finger mit seinen großen, warmen und tröstlichen Händen und hielt sie wie in einer eisernen Faust gefangen. Aus seinen Augen, welche
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