Schwert und Laute
»sehr«. »Ich glaube, wenn Mama jemals davon erfährt, hat sie mich nicht mehr lieb.«
Robin zog die Knie an und legte das Kinn darauf.
»Ich habe Papas Sgian dhu verloren. Mama hängt sehr daran und will nicht, dass jemand ihn anrührt. Ich wollte ihn bloß kurz ausleihen, um ein Herz in ein Stück Holz zu schnitzen und ihr
das zu Hogmanay schenken, zu Neujahr. Ich hatte mich in meinem geheimen Schlupfwinkel versteckt. Das Holz war schwer zu bearbeiten, und ich musste kräftig drücken, um überhaupt einen Einschnitt zu machen. Die Spitze der Klinge ist am Holz abgeglitten, und das Messer ist mir aus der Hand gerutscht und in den Bach gefallen. Wenn die Sonne scheint, kann ich es glitzern sehen, aber das Wasser ist an dieser Stelle zu tief. Ich kann nicht schwimmen, und wenn ich ertrinke, wird Mama sehr wütend auf mich sein, und außerdem wird sie dann wissen, dass ich das Messer genommen habe. Ich wage nicht, jemanden zu bitten, dass er es mir herausholt, weil sie sonst die Wahrheit erfährt.«
Seine letzten Worte hatte er geflüstert, und ihm standen die Tränen in den Augen.
»Kannst du mir zeigen, wo du es verloren hast?«
Er nickte.
»Und es liegt noch da?«
»Ja, ich habe es letzte Woche gesehen. Ich habe versucht, es mit einem Zweig herauszufischen, aber das ist mir nicht gelungen.«
»Ich könnte es vielleicht für dich holen«, sagte ich leise.
Hoffnungsvoll riss das Kind die Augen auf. Entzücken vertrieb die kummervolle Miene von seinem runden Gesichtchen.
»Das würdet Ihr für mich tun?«, fragte der Junge ungläubig.
»Ich kann es jedenfalls versuchen. Zeig mir die Stelle, und ich will sehen, was ich ausrichten kann.«
Sofort sprang der Kleine auf und zupfte an meinen Röcken. Offensichtlich wurde ihm das zur Gewohnheit. Wir ließen die Welpen im liebevollen Schutz ihrer Mutter zurück und verließen den Stall.
Robins geheimer Zufluchtsort erwies sich als einfacher Felsbrocken, hinter dem er sich wahrscheinlich versteckte und, vor Blicken geschützt, kleine Streiche ausheckte. Oder sich verbarg, wenn er sich irgendeiner Arbeit entziehen wollte.
»Hier ist es!«, rief Robin und wies auf eine Stelle im Bach.
Das Wasser war klar, aber mehrere Wasserpflanzen wuchsen dort und behinderten den Blick auf den steinigen Grund und alles, was dort ruhen mochte. Ich beugte mich über das Ufer, schob
die Gräser beiseite und untersuchte den Boden, doch ich entdeckte nichts.
»Bist du dir sicher, dass das die richtige Stelle ist?«
»Oh ja! Ich habe auf diesem dicken Stein gesessen. Das Messer ist so weggeflogen und genau dort hineingefallen«, erklärte er und unterstrich seine Worte mit den dazugehörigen Gesten.
Ich überlegte einige Augenblicke, wo der Sgian dhu wohl hingefallen sein konnte. Den Ärmel bis zur Schulter hochgeschoben, steckte ich den Arm in das eisige Wasser und tastete auf dem Grund herum.
»Ich glaube, ich muss meine Röcke raffen und hineinsteigen«, brummte ich. »Es ist zu tief, ich komme nicht heran.«
Das Wasser ging mir bis über die Knie, und ich verzog das Gesicht, als mich die eisige Kälte traf. Robin beobachtete mich mit hoffnungsvoll strahlenden Augen. Die vom ständigen Strom des Wassers polierten Kiesel fühlten sich unter meinen Zehen glatt an. Langsam tat ich einen Schritt nach dem anderen und tastete mit den Füßen blind den Boden ab. Meine Waden begannen sich bereits krampfhaft zusammenzuziehen, als ich spürte, wie mir etwas in den großen Zeh stach. Zwischen den Steinen und einigen Grashalmen, die in der Strömung trieben, blitzte etwas Metallisches auf. Ich streckte den Arm in das strudelnde Wasser und angelte den kostbaren Sgian dhu heraus.
»Geschafft!«, rief ich triumphierend und streckte dem Jungen die kostbare Waffe entgegen. »Der ist aber scharf!«
Leicht humpelnd stieg ich aus dem Wasser. Robin umarmte mich mit aller Kraft, dann drückte er das Erinnerungsstück seines Vaters an seine Brust.
»M’ran taing, vielen Dank, vielen Dank«, wiederholte er ein ums andere Mal. »Ich werde ihn an seinen Platz zurücklegen, ohne dass mich jemand sieht.«
»Ich möchte gern, dass du mir versprichst, ihn ohne die Erlaubnis deiner Mutter nicht mehr anzurühren«, schalt ich ihn sanft.
»Ich verspreche es Euch, Mistress Caitlin. Ich schwöre es beim Leben... meines Bruders Calum, den ich sehr liebe.«
Er küsste den kleinen Dolch und hielt ihn, die Spitze auf seine Brust gerichtet, vor sich in die Höhe.
»Und wenn ich mein Versprechen breche,
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