Schwerter der Liebe
Kopfschmuck für den Abend ihrer Mutter anprobiert hatte. Sie und Paulette waren an einem verregneten Nachmittag in einer Truhe im Ankleidezimmer auf diese wunderschönen Dinge gestoßen und hatten sich damit geschmückt, um dann im Raum immer auf und ab zu gehen und so zu tun, als seien sie auf dem Weg in die Oper. Juliette erinnerte sich noch gut an ein Krönchen mit Rosen aus Seide, an rosefarbene Blüten und Knospen auf Kämmen, um die Locken hochzustecken.
Oh, wie hatte ihre Mutter sie ausgeschimpft, als sie sie dabei ertappte. Sie zerrte die Kämme aus Juliettes Haar und riss ihr dabei ein paar Haare aus. Als ihr daraufhin die Tränen kamen, sagte ihre Mutter zu ihr, diese Dinge seien nicht für sie bestimmt. Paulette würde diejenige sein, die in der Oper präsentiert würde, wenn sie erst einmal im heiratsfähigen Alter war. Juliette würde dagegen auch nach der Schule im Kloster bleiben, damit sie dort zur Nonne ausgebildet werden konnte. Vielleicht würde man ihr erlauben, bei ihrer Kommunion eine Krone aus Rosen zu tragen, doch das mussten dann weiße Rosen sein, weil die für die Reinheit von Herz und Seele standen.
Weiße Rosen.
Danach hatte Juliette über Jahre hinweg von rosefarbenen Rosen geträumt, aber nie gewagt, das auszusprechen.
Eines der von Madame Ferret geschickten Kleider war aus der weißen Seide, die Nicholas Pasquale vorgeschlagen hatte. Ohne große Begeisterung hatte sie es nach seinen Vorstellungen in Auftrag gegeben, weil sie es für notwendig hielt, Monsieur Pasquale zu gefallen. Und nun war es da, zusammen mit dem Cape, das mit silbernen Stoff gesäumt war, und der mit Schwanendaunen besetzten Kapuze.
Die Seide fühlte sich an, als würde sie eine Wolke berühren. Das Mieder mit den Plisseefalten, die sich zur schmalen Taille hin verjüngten, saß perfekt. Sie musste zugeben, dass das Ensemble ausgesprochen elegant war, und es war genau auf ihren Teint abgestimmt. Sie würde es selbstverständlich tragen, doch das änderte nichts daran, dass es ihr nicht gefiel.
Die anderen Ensembles waren dagegen viel ansprechender, und ihr besonderer Favorit war ein schlichtes Morgenkleid aus dem mit Rosenmuster bedruckten Chaly, den sie beim Tuchhändler gekauft hatten. Diese Farbe unterstrich den Goldton in ihrem Haar. Am allerschönsten war aber das Ausgehkleid für den Nachmittag aus schwerem, grasgrünem Seidentaft mit einem Effekt, der den Stoff je nach Lichteinfall in den Falten von Grün nach Goldbraun changieren ließ. Der schmale Stehkragen war goldbestickt, und der Rock wies nach vorn eine in gleicher Weise umsäumte Öffnung auf, hinter der das Unterkleid aus goldener Seide zum Vorschein kam.
Juliette hätte das grüne Kleid fast wieder eingepackt, da sie das ganz sicher nicht bestellt hatte. Entweder war Madame Ferret ein Fehler unterlaufen, oder sie versuchte, ihr eine weitere Anschaffung unterzuschieben, da Juliette gerade freigebig war. Doch die ungewöhnliche Farbgebung der Seide faszinierte sie zu sehr, um das Kleid einfach wieder einzupacken, und ehe sie es sich versah, zog Valara es ihr bereits über den Kopf.
Es saß wie angegossen, und die Farbe war höchst erstaunlich. Ihr Haar schien zu schimmern, als wären die vielen verschiedenen Brauntöne mit Goldfäden durchwirkt. Ihren Augen verlieh der Stoff eine geheimnisvolle Tiefe. Die goldfarbene Spitze hob sich mit einem sanften Leuchten von ihrer Haut an Hals und Schultern ab, während der Taft sich so exakt an ihren Körper anschmiegte, dass bei jedem Atemzug die Farbe von Gold nach Grün und zurück wechselte.
»Tres belle«, sagte Valara, ging einen Schritt zurück und legte die Hände vor sich zusammen. »Das gefällt mir.«
»Mir auch«, murmelte Juliette.
Madame Ferret hatte tatsächlich eine gute Auswahl getroffen, überlegte sie, während sie sich mal in die eine, mal in die andere Richtung drehte, um sich in dem hohen Spiegel zu betrachten. Der zeigte auch ihr Schlafzimmer mit dem zusammengewürfelten, von anderen abgelegten Mobiliar — ein grob angefertigter Kleiderschrank aus Zypresse, ein schlichtes Bett, darüber ein Moskitonetz, das an einem Deckenhaken befestigt war, außerdem eine große türkische Ottomane mit burgunderfarbenem Brokat, die früher einmal im Arbeitszimmer ihres Vaters gestanden hatte. Wie verändert sie doch in diesem Taftkleid aussah, als würde sie nicht länger in dieses schlichte Zimmer gehören, das man immer freihielt, wenn sie zu Besuch nach Hause kam. Es war Eitelkeit, dumme
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