Schwerter und Rosen
es ist doch noch nicht alles gepackt.« Mit einem beruhigenden Schmunzeln nahm Catherine ihr die goldbestickten Borten aus der Hand und legte ihr die Linke auf die Schulter. »Wir haben ja auch noch ein paar Tage Zeit«, stellte sie nüchtern fest. »Bis dahin finden wir alles, was Ihr benötigt.« Einige Atemzüge lang überlegte die Spanierin, doch dann legte sie Catherine lachend den Arm um die Taille und wirbelte sie stürmisch herum. »Du hast recht«, stimmte sie überschwänglich zu. »Das wird mich ein wenig ablenken!«
Bevor Catherine begriffen hatte, was vor sich ging, hatte Berengaria die beiden leichten Schläger, die am Boden der inzwischen leeren Sitztruhe unter dem Rundbogenfenster lagen, unter die Achsel geklemmt und einen Stapel der mit Entenfedern befiederten Bälle ergriffen. »Komm«, drängte sie, zog die schwere Tür auf und eilte in Richtung Treppe davon. Unten angekommen schlug sie den Weg zu dem Garten hinter dem Wohnturm der Festung ein, in dem die letzten Blüten des Sommers an den Büschen und Sträuchern verwelkten. Mächtige Kastanien überschatteten mit ihrem bereits eingefärbten Laubdach den östlichen Teil der parkähnlichen Anlage, während sich im Westen eine offene, von kurzem Rasen bedeckte Spielfläche erstreckte. Dort warf Berengaria die Schläger ins Gras, winkte einen der Pagen zu sich und befahl ihm, die an zwei dünnen Pfosten befestigte Schnur zu spannen. In dem auffrischenden Wind fröstelnd zog Catherine das Tuch um ihre Schultern enger, während sie sich fragte, ob ihr Vorschlag wirklich so gut war, wie sie gedacht hatte. Die kräftigen Böen ignorierend, warf Berengaria – nachdem die beiden jungen Frauen ihre Positionen eingenommen hatten – das Körbchen in die Höhe und trieb es in einem eleganten Bogen über das improvisierte Netz.
Jerusalem, Die Zitadelle, September 1190
Angespannt und nervös wie ein gefangener Tiger im Käfig durchmaß Curd von Stauffen den zwar kleinen, aber mit kostbarem, bläulichem Marmor aufgehellten Raum im Westflügel der Zitadelle, in den ihn die Soldaten des Sultans geführt hatten. Kaum zwei Stunden war es her, dass er seine schäbige Unterkunft verlassen hatte, um bei Nathan vorzusprechen, als ihn die Männer nur wenige Steinwürfe vor dem Haus des Juden abgefangen und in die Zitadelle gebracht hatten. Was wollte der Sultan von ihm? Während Neugier und Zorn über die unhöfliche Behandlung, die ihm die Palastwächter hatten angedeihen lassen, in ihm widerstritten, trat er an eines der zahlreichen kleinen, Fensterchen und starrte in die tief unter ihm gelegene Schlucht hinab, deren schroffer Fels direkt in die mächtige Mauer des Bollwerkes überzugehen schien. Warum zeigten die Banner auf dem trutzigen Turm der Festung nicht an, dass der Herrscher in der Stadt war? Diese und viele andere Fragen drängten sich in Curds Kopf. Aber nachdem auch der Ehrfurcht gebietende Ausblick auf das Umland ihm keine Antworten zu geben vermochte, trat er aus der kleinen Nische in den Raum zurück und begann, sich umzusehen. Neben dem blauweißen Marmor, der sowohl den Boden als auch die Wände in makelloser Reinheit erstrahlen ließ, sorgten sowohl eine Anzahl von prächtig geschnitzten Ziermöbeln als auch ein farbenfroher Wandbehang dafür, dass in dem Besucher kein Zweifel über den Reichtum und die Macht des Besitzers aufkommen konnte.
Bewundernd näherte sich der Tempelritter einer Truhe, deren Deckel mit einem golddurchwirkten Seidentuch abgedeckt war, auf dem mehrere, kunstvoll gemalte Miniaturen seinen Bewegungen mit beinahe lebensecht wirkenden Augen zu folgen schienen. Besonders eine der stilisierten, vor Machtinsignien strotzenden Darstellungen schien ihn beinahe magisch anzuziehen. Als er die Truhe erreicht hatte, runzelte Curd die Stirn und griff nach dem Bild eines etwa Zwanzigjährigen, dessen energisch schönes Gesicht merkwürdig vertraut wirkte. »Ah, Ihr habt es also auch sofort gemerkt?« Die aufgesetzt warme Stimme ließ ihn herumfahren und – immer noch das Bild in den Händen – die unverschleierte Frau anstarren, die durch einen ihm bis jetzt verborgen gebliebenen Eingang den Raum betreten hatte. Ihr rabenschwarzes Haar unterstrich die klassische Schönheit der Dame, die Curd nur aufgrund der feinen Falten um die Mundwinkel etwa so alt schätzte wie Daja. Die von einem grellroten, eng geschnittenen Gewand hervorgehobene Figur glich der eines jungen Mädchens. Und obwohl ihn immer noch Ärger über die
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