Schwerter und Rosen
Lissabon gemeldeten zu verhindern – mehrere Galgen zusammenzimmern lassen. »Jeder, der beim Plündern oder Schänden der Einheimischen gefasst wird, kommt augenblicklich vor Gericht!«, hatte er gegrollt und den versammelten Männern einen drohenden Blick zugeworfen. »Ich möchte es auf dieser Heerfahrt nicht noch einmal erleben, dass ich meine Flotte freikaufen muss!« Da es in Lissabon zu ernsthaften Zwischenfällen gekommen war, bei denen einheimische Frauen und Kinder ums Leben gekommen waren, hatte der König von Portugal mehrere hundert Mann des englischen Königs festnehmen lassen, und es war Richard Löwenherz nur mit Mühe und Not gelungen, diese vor der Todesstrafe zu bewahren. Allerdings hatte ihn das nicht nur einen beträchtlichen Teil der für den Kreuzzug vorgesehenen Gelder gekostet, sondern auch Zeit, die sie eigentlich nicht hatten.
»Als ob die Scherereien in Portugal nicht ausgereicht hätten«, brummte er missmutig, legte den schweren Brustpanzer ab und ließ sich auf das Bett fallen, das Richard of Devizes erst vor wenigen Augenblicken geräumt hatte. Und die Bestätigung des Gerüchtes von Barbarossas Tod!, setzte er in Gedanken hinzu und rieb sich mit solcher Heftigkeit die schmerzenden Schläfen, dass rote Striemen auf der Haut zurückblieben. Als wären die niederschmetternden Neuigkeiten vom Zerfall des deutschen Heeres nicht genug, hatte ihn zudem am vergangenen Abend die Nachricht erreicht, dass die Witwe des im letzten Herbst kinderlos verstorbenen Königs Wilhelm II. von Sizilien, seine eigene Schwester Johanna, in sein Lager abgeschoben werden sollte. Für diese Demütigung verantwortlich war der neue König Tankred, der entgegen der Erbfolge die Krone an sich gerissen hatte. Ergo hatte Löwenherz dem unverschämten Usurpator die Botschaft zukommen lassen, dass er keine Zeit habe, sich um diese Angelegenheit zu kümmern, seine Schwester gerne aufnehmen würde, dafür aber die Herausgabe ihrer Wertsachen verlangte. So zählte ein über vier Meter langer, goldener Tisch ebenso zu ihrer Mitgift wie ein Zelt aus Seide, zahllose goldene Becher und Platten sowie mehrere Schiffsladungen mit Getreide und Wein.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Tankred Euren Zorn auf sich ziehen will«, schmeichelte Richard of Devizes seinem Herrn, der von Rastlosigkeit getrieben aufsprang und wieder vor das Zelt trat. Über den Dächern der befestigten Stadt erhob sich terrassenförmig ein schroffes Felsmassiv, dessen üppige Vegetation von Zypressen, Olivenbäumen und dichten Büschen beherrscht wurde. Hoch oben brannte ein verloren wirkendes Feuer, über dem vermutlich das Abendessen eines der vielen verstreuten Ziegenhirten vor sich hin briet. »Das will ich ihm auch nicht raten«, war alles, was der englische König darauf erwiderte, bevor er sich abwandte, um einen Rundgang durch den innersten Ring des Lagers zu unternehmen. Kopfschüttelnd blickte Devizes ihm nach, bevor er sich wieder in die Kühle des Pavillons zurückzog, um darauf zu harren, dass sich die Laune seines Liebhabers besserte.
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Weit entfernt von der Unterkunft des Königs ließ Harold of Huntingdon überwältigt von der Schönheit der Landschaft den staunenden Blick über die roten Dächer wandern, die sich am westlichen Ende der starken Stadtmauern beinahe mit dem türkisfarbenen Meer zu vereinigen schienen. Der vom Orange ins Purpurfarbene spielende Himmel malte verschwommene Muster auf die weiß getünchten Mauern der Häuser, und das weniger als drei Meilen entfernte Festland wirkte seltsam fern und klein. Ein durchdringender Duft nach Zitronen und Melisse lag in der schweren, schwülen Luft, und Harold fragte sich, wie das Wetter auf der Insel wohl im Winter sein würde. Da Messina nicht im direkten Gebirgsschatten lag, hatte ihn einer der älteren Männer informiert, war es den vom Meer ins Landesinnere ziehenden Niederschlägen schutzlos ausgeliefert. Was offenbar zur Folge hatte, dass es den Bewohnern der Küstenregion nie an Wasser mangelte. Wie anders als England dieses seltsame Land war. Selbst das Meer schien hier anderen Gesetzmäßigkeiten zu gehorchen, als in seiner Heimat. Wohingegen die Wellen in England oft heftig gegen die Küste brandeten, wirkte das Mittelmeer zahm und glatt. Die Farbe des Wassers spielte ins Grünliche – ganz anders als das stumpfe Bleigrau, das Harold gewohnt war. Auch das Essen wurde zusehends abenteuerlicher, und Harold verzog den Mund, als er an den Geschmack der
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