Schwerter und Rosen
starrte Fulko dem Babenberger in das schwitzende Gesicht, bevor er den Kopf schüttelte und die Hand vom Knauf seines Schwertes nahm. »Und Ihr solltet zusehen, dass Ihr Euch innerhalb des Lagers nicht mehr Feinde macht als in den feindlichen Linien«, versetzte er verächtlich, trat einen Schritt zurück und wandte sich zum Gehen. Er würde später seinen Knappen damit beauftragen, ihm einen neuen Platz zu suchen.
Voller Ingrimm stieß er einen der Soldaten des Herzogs vor die Brust, als dieser ihm provokativ den Weg verstellen wollte, und ignorierte die unschmeichelhaften Bezeichnungen, mit denen dieser ihn bedachte. Wenn dieser verdammte Leopold meinte, er könne sich zum Oberbefehlshaber über die gesamte Belagerungsarmee aufschwingen, dann hatte er sich getäuscht!, grollte Fulko. Nicht nur seinem Dienstherrn, dem Herzog von Franken, stieß die Großmäuligkeit des Österreichers, der sich seit dem Tod Friedrichs von Schwaben zum Anführer des deutschen Kontingents ernannt hatte, bitter auf. Auch die anderen Unterführer in dem von Seuchen heimgesuchten Feldlager hatten wiederholt ihren Unmut über den undiplomatischen Babenberger geäußert. Warum unternahm keiner der Generäle etwas gegen Leopold?, fragte sich der Ritter. Als er das Flussbett des Kishon erreicht hatte, trat er ärgerlich mit dem gepanzerten Stiefel gegen einen der im getrockneten Uferschlamm verrottenden Äste. Warum schien der Kampfeswille der Belagerer in den eigenen Reihen dergestalt zu erlahmen, dass ein solcher Emporkömmling das Zepter an sich reißen konnte, ohne auf erwähnenswerte Gegenwehr zu stoßen? Wütend wischte sich Fulko den Schweiß von der Stirn und starrte in die Sonne. Wann würde endlich die Streitmacht des englischen Königs eintreffen? Wenn man dem Ruf glauben konnte, der Löwenherz vorauseilte, dann konnte Leopold mit dessen Ankunft sämtliche Ambitionen auf Ruhm und Ehre begraben! Mit einem schweren Seufzer wandte der Ritter sich vom Flussufer ab und stapfte in Richtung Lagermitte davon.
Messina, März 1191
Mit vor Kälte und Erschöpfung aufeinanderschlagenden Zähnen lauschte Harold of Huntingdon in die Dämmerung, die von den Geräuschen der erwachenden Tierwelt und dem Gelärme der noch nicht zu Bett Gegangenen erfüllt war. Das heitere Trällern der ersten Lärchen lag hell über den Rufen der Feiernden, die in kleinen Grüppchen durch die in der Morgenröte erstrahlende Stadt torkelten. Seit drei Tagen und Nächten stand sich der Knabe nun schon vor den geschlossenen Türen des Gebäudes, in dem sein Dienstherr und John of Littlebourne nächtigten, die Beine in den Bauch. Ohne jemals länger als ein paar Minuten die Augen geschlossen zu haben – aus Furcht, der Zorn des Earls of Essex könne sich mit derselben Gewalt über ihn ergießen wie über den in London beerdigten Roland. In dem von Richard beschlagnahmten Palast hatte am Vorabend das Bankett zur Begrüßung der Damen stattgefunden, und obgleich die Nacht bereits dem neuen Tag wich, schien ein nicht unbeträchtlicher Teil der Gäste immer noch den Vergnügungen des Zechens und der Lustbarkeit nachzugehen. Immer wieder stolperten Betrunkene über die schlüpfrigen Pflastersteine, um sich entweder in einer der verwinkelten Gassen zu übergeben oder irgendwo zwischen verfaulenden Essensresten und streunenden Hunden ihren Rausch auszuschlafen.
Dank der mitleidigen Unterstützung zweier Freunde, die in den Diensten der Männer des Erzbischofs standen, hatte Harold hie und da ein Stückchen kalter Hühnerkeule oder altbackenen Fladenbrots abbekommen. Diese hatte er tief in den Taschen seines zu dünnen Surkots vergraben, falls der rachsüchtige John of Littlebourne seine Strafe verlängern wollte. Schwindelig vor Hunger kramte er den letzten, steinharten Kanten aus den Falten seines Gewandes und biss gierig davon ab. Viel zu schnell schlang er das sauer schmeckende Brot in sich hinein, und kurz nachdem auch der letzte Rest der bereits schimmeligen Rinde geschluckt war, griff er sich mit schmerzverzerrter Miene an den Magen. Um sich von den Krämpfen abzulenken, ließ er den müden Blick über die Fassaden der Häuser wandern und zählte zum wohl hundertsten Mal die Blätter der Säulenkapitelle. Nachdem der soeben anbrechende Tag ein Sonntag war, begannen im Süden der Stadt bereits die ersten Kirchenglocken zur Morgenandacht zu rufen, und die Gläubigen vermischten sich mit den aufgekratzten Heimkehrern.
Die meist weiblichen Kirchgänger
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