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Schwerter und Rosen

Schwerter und Rosen

Titel: Schwerter und Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Belagerung Akkons erfüllte ihn mit Sorge. Die Staatskassen waren fast leer, und er wusste immer noch nicht, auf welchen seiner ehemaligen Verbündeten er noch bauen konnte. Zwar blieb ihm immer die Reserve seiner treu ergebenen Mamelucken. Aber er fürchtete, dass er in diesem Krieg – wie schon zuvor – auf die Sekte der Hashshashin, der Assassinen, würde zurückgreifen müssen. Und das stimmte ihn nachdenklich. Denn tief in seinem Inneren verabscheute er die erbarmungslosen Meuchelmörder, die sich vor Schlachten oder Anschlägen durch das Rauchen von Haschisch in Ekstase versetzten, um zu unbezwingbarem Wagemut zu gelangen. Die heimtückische Vorgehensweise der gedungenen Mörder lief all seinen Vorstellungen von Kriegsführung zuwider. Und je näher das geplante Treffen mit al-Hafi, dem undurchschaubaren Anführer der Sekte, rückte, desto mehr innere Unruhe erfüllte ihn. Aber das war nicht das Einzige, das seine Nächte schlaflos bleiben ließ. Beinahe schmerzhaft drängte es ihn danach, eine Streitmacht auszurüsten und den Belagerten zur Hilfe zu eilen. Doch womit sollte er sie bezahlen? Mit einem resignierten Seufzen fuhr er sich durch den Bart und senkte einige Atemzüge lang den Blick auf ein etwa fingernagelgroßes Insekt, das mit einer Stechmücke kämpfte. Sein Bruder al-Adil hatte ihm zwar schon vor Wochen einen Boten gesandt und versprochen, die Tributgelder aus Ägypten bald aufgetrieben zu haben, doch was nützten ihm diese Versprechungen?
     
    Müde schweifte sein Blick auf das unter ihm in die Felsen geschmiegte christliche Viertel, das trotz der frühen Stunde bereits vor Geschäftigkeit wimmelte. Stark verschleierte Frauen schleppten tönerne Krüge zu einem der tiefen Brunnen, während die Männer unter den schützenden Dächern der Marktstände und -buden dem Handel nachgingen. Soeben ritten die Bewaffneten, die er bis vor Kurzem noch beobachtet hatte, durch das Jaffa-Tor in die Stadt ein, und er erkannte das Wappen eines seiner Vasallen. Vorsichtig trabten sie durch das dichte Gewimmel, peinlich darauf bedacht, keinen der unachtsamen Einwohner niederzureiten. Salah ad-Din lächelte. Im Gegensatz zu den Säuberungen, welche die Kreuzfahrer im Jahre 1099 durchgeführt hatten – als Jerusalem in fränkische Hände gefallen war – hatten er und die muslimischen Eroberer von blutigen Massakern abgesehen. Nach Zahlung eines Lösegelds und eines angemessenen Tributes erlaubte man sowohl Juden als auch orientalischen Christen, in der Heiligen Stadt ansässig zu bleiben. Erneut seufzte er und strich die struppigen Brauen glatt, bevor er sich umwandte und die drei Treppen ins Innere der Zitadelle hinabschritt. Vermutlich war es das Beste, wenn er sich mit seinem Schatzmeister beriet. Dieser erfahrene Beamte würde ihm die Lösung aufzeigen, die sich seinem eigenen Blick noch verschloss, dessen war er sicher. Mit mehr Zuversicht als noch vor wenigen Minuten, ließ er das enge Treppenhaus hinter sich und eilte den breiten Korridor entlang zu seinen Gemächern.
     
     
    Jerusalem, Jüdisches Viertel, August 1189
     
    »Ihr könnt sie jetzt sehen.« Die Stimme der zierlichen Frau klang erstickt, als sie auf den jungen Tempelritter zutrat und mit Tränen in den Augen zu ihm aufblickte. Obwohl sie noch keine vierzig Jahre zählen konnte, wirkte ihre schmale, gebeugte Gestalt im unbarmherzigen Licht der Sonne wie die einer alten Frau – ein Eindruck, der durch die tiefen Ringe unter ihren eingefallenen Augen noch hervorgehoben wurde. Die Hand, welche den Türknauf umklammert hielt, als könne dieser ihr Halt geben, zitterte, und die spitzen Knöchel schienen die pergamentdünne Haut durchstoßen zu wollen. Einige grau melierte Strähnen hatten sich aus der strengen, haubenartigen Kopfbedeckung befreit, doch mit einer ungeduldigen Geste schob sie diese zurück unter das weiße Leinen. Beinahe eine Woche hatte Curd von Stauffen auf diesen Augenblick gewartet. Aber der Zustand des jungen Mädchens, das seit der Nacht des Brandes nur kurz aus der tiefen Ohnmacht erwacht war, hatte einen Besuch unmöglich gemacht, und ihm war nichts weiter übrig geblieben, als die Tage – zwischen Bangen und Hoffen hin- und hergerissen – zu zählen. Immer wieder hatten ihn seine Schritte zu dem Platz vor dem halb ausgebrannten, zweistöckigen Haus des reichen Kauffahrers geführt. Doch genauso oft hatte man ihm den Zutritt verwehrt.
    Das dumpfe Hämmern der Zimmerleute erfüllte den frühen Morgen, als Curd der kleinen

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