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Schwerter und Rosen

Schwerter und Rosen

Titel: Schwerter und Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Vorwarnung kehrten die Bilder der Nacht zurück, in der er sie das erste Mal in den Armen gehalten hatte. Schaudernd presste er die Lider aufeinander, als er an das Geräusch ihres aufschlagenden Körpers zurückdachte. Sie würde leben! Sie musste einfach wieder gesund werden, damit ihr Wagemut nicht umsonst gewesen war! Entgegen aller Selbstbeherrschung löste sich eine Träne aus seinem Augenwinkel. Wie im Traum war er an jenem schicksalhaften Abend in seine schäbige Unterkunft zurückgekehrt – nicht sicher, wie er dem Aufruhr der Gefühle, die in ihm wettstritten, Herr werden sollte. Doch nach einer durchwachten Nacht war er am folgenden Tag noch vor Sonnenaufgang durch die Stadt gestreift und hatte sich eingestehen müssen, dass das Gefühl, das sich von Unwohlsein in Euphorie und wieder zurückverwandelte, Liebe sein musste – Liebe zu dem zerbrechlichen, wunderschönen Mädchen, das er vor dem Flammentod gerettet hatte. »Du darfst nicht sterben«, flehte er, wohl wissend, dass der Bruch und die inneren Verletzungen, die sie sich bei dem Sturz zugezogen haben musste, tödlich sein konnten. »Ich möchte deine Stimme hören.« Die Trauer drohte gerade, ihn zu überwältigen, als die Haushälterin aus dem Nebenraum zurückkehrte und ihn sanft, aber bestimmt aufforderte zu gehen. »Sie braucht Ruhe«, erklärte sie halb entschuldigend, halb trotzig, ehe sie ihm die Haustür vor der Nase verschloss und ihn mit seinen Gefühlen alleine ließ.
    Wie in Trance überquerte er den palmenbewachsenen Platz, bog in eine der Gassen ein, und irrte ziellos durch die hektische Stadt. Während er geistesabwesend Männern, Frauen, Kindern und Fuhrwerken auswich, um nicht mit ihnen zusammenzuprallen, wirbelten die Gedanken in seinem Kopf wild und ungeordnet durcheinander. Noch niemals zuvor hatte er eine so bedingungslose Liebe für einen anderen Menschen empfunden wie für Rahel. Seit er sie von dem Dach des brennenden Anbaus getragen hatte, gab es nichts mehr, das ihm wichtiger erschien, als ihr Herz zu erobern und sie für den Rest seines Lebens an seiner Seite zu haben. Er stöhnte leise, als sich sein Brustkorb schmerzhaft zusammenzog. Was, wenn sie starb? Ohne auf die befremdeten und neugierigen Blicke zu achten, die man ihm zuwarf, ließ er sich auf einem Stein am Straßenrand nieder und schlug die Hände vors Gesicht.
     
     
    London, White Tower, August 1189
     
    Verflucht! Kaum war er in dieser stinkenden Stadt eingetroffen, da wurde er auch schon von allen möglichen Bittstellern belästigt. Nach dem Gespräch mit Blondel am vergangenen Abend war Richard Löwenherz in entsetzlicher Stimmung, und sein Kopf schmerzte. Kurz nach seiner Ankunft hatte er nach dem Barden schicken lassen, nach dem er sich wie immer, wenn er ihn in England zurückgelassen hatte, vor Sehnsucht verzehrte. Lange hatten sie sich in den Armen gelegen, doch als Richard ihn auf das ausladende Bett in seinem Gemach zuführen wollte, hatte Blondel das schöne Haupt geschüttelt und sich von ihm befreit. »Du wirst bald König sein«, hatte er nüchtern bemerkt, das braune Haar aus der Stirn gestrichen und war einige Schritte zurückgetreten. »Das wird nichts an meinen Gefühlen für dich ändern!« Hatte Richard leidenschaftlich und heftig erwidert. Aber Blondel hatte erneut mit einem bedauernden Kopfschütteln abgelehnt. »Nein. Ich wäre ein falscher Freund, wenn ich weiterhin deine Nähe suchen würde.« Als Richard ihm aufgebracht ins Wort fallen wollte, hatte er beschwichtigend die Hand gehoben und ruhig hinzugefügt: »Solltest du deiner Königspflicht irgendwann einmal entfliehen wollen, dann weißt du, wo du mich finden kannst. Doch bis dahin werde ich mich zurückziehen.« Richard hatte getobt und gewütet, geflucht und geschrien, gedroht und gefleht. Doch das Herz seines Liebhabers hatte sich durch nichts erweichen lassen. Und so hatte er ihn schließlich abziehen lassen und sich dem Trunke hingegeben.
    Und nun, am späten Vormittag des folgenden Tages, hatte er bereits eine politische Diskussion mit seiner Mutter – Aliénor von Aquitanien, die neben ihm thronte – über sich ergehen lassen müssen und die ersten Lehensmänner empfangen, die ihm ihre Unterstützung versichern wollten. Wie lang war die Schlange denn noch?, fragte er sich innerlich stöhnend, als der Earl, der soeben vor ihm gekniet hatte, sich erhob und langsam zurückzog. Die Goldfäden, die sein protziges Surkot zierten, funkelten im Licht der Fackeln, und Richard

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