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Schwerter und Rosen

Schwerter und Rosen

Titel: Schwerter und Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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war froh, als er mit den Schatten einer Säule verschmolz. Müde lehnte er sich auf dem unbequemen Thron zurück und schloss die schmerzenden Augen. Was für ein Teufelszeug hatte sein Page ihm da gestern nur gereicht? Er würde ein Hühnchen mit dem Burschen rupfen müssen! Schließlich wusste er genau, dass sein Herr den süßen, schweren Wein aus Navarra nur schwer vertrug. Und doch hatte er ihm einen randvoll gefüllten Krug auf den Tisch gestellt, nachdem Richard halb blind vor Wut nach etwas zu trinken gebrüllt hatte.
    Das Knarren der hohen Flügeltür brachte ihn in den Audienzsaal zurück, und er fuhr sich mit der Hand über die Augen, um klarer zu sehen. »Sire.« Der gut gebaute, junge Ritter, der die Farben irgendeines englischen Adeligen trug, den Richard wie all die anderen Kronvasallen nicht kannte, sank auf ein Knie und senkte den Kopf. Hinter ihm war ein schmächtiges Bürschchen eingetreten, das ebenfalls auf die Knie fiel, so wie es sein Begleiter ihm vormachte. Unter einem weizenblonden Schopf blitzten blaue Augen, die der Knabe jedoch hastig niederschlug, als er den Blick des Plantagenets auf sich spürte. Kaum merklich verdunkelten sich die bleichen Sommersprossen auf seiner Nase, als er errötete, und die schlanken Hände an seiner Seite suchten nervös nach einem Halt auf dem mit rotem Tuch ausgelegten Steinboden. Die schmalen Schultern zierte dasselbe Wappen wie seinen Begleiter. Aber wenngleich Richard sich den Kopf zermarterte, welcher Grafschaft diese Farben angehörten, kam er beim besten Willen nicht darauf. Wen interessierte dieses verfluchte Land schon? Alles, was ihn an England faszinierte, war sein Reichtum. Und diesen würde er für seine Zwecke schröpfen, bis das Land so ausgetrocknet war wie eine alte Vettel. »Seid willkommen«, nuschelte er wenig begeistert – nur mäßig interessiert daran, was der Bursche ihm mitzuteilen hatte.

    *******

    Während Richard Löwenherz sich mit den Gedanken schon halb von den vor ihm Knienden gelöst hatte, starrte Harold starr vor Angst und Ehrfurcht auf die silbernen Sporen an Guys Stiefeln. Sein Atem ging flach und unregelmäßig, und nur mit Mühe konnte er seinen Herzschlag davon abhalten, sich noch mehr zu beschleunigen. Immer kälter wurde der Schweiß, der sich auf Stirn und Oberlippe des Jungen legte, und er spürte deutlich, wie sein gebeugtes Bein anfing zu zittern. Noch immer nagte ein nicht zu definierendes Gefühl an ihm, das ihn seit der schrecklichen Nacht seiner Ankunft am Hof nicht mehr loslassen wollte, und das seine Furcht vor der Audienz noch vertieft hatte. Nach seinem heiseren Hilferuf waren aus allen Himmelsrichtungen Männer herbeigeeilt, die den Knaben von dem Gestürzten weggestoßen hatten, um sich über ihn zu beugen und seinen Herzschlag zu fühlen. Immer weiter war Harold in den Hintergrund gedrängt worden, während das Menschenknäuel um den Toten dichter und dichter wurde. Dem schockierten Gemurmel hatte er entnommen, dass es sich um William d’Aubigny, den Earl of Arundel, handelte, der bereits vor geraumer Zeit aus einem Kloster im Norden Englands im Tower eingetroffen war. Was hatte der Mann ihm sagen wollen? Harold war sicher, dass er die Balustrade nicht von selbst durchbrochen hatte und in die Halle hinabgestürzt war – immerhin hatte er die Geräusche eines Handgemenges vernommen, kurz bevor der Körper des Earls auf dem Steinboden aufgeschlagen war. Wer hatte ihn gestoßen? Wieder und wieder hatte Harold sich das Gehirn zermartert, was die letzten Worte des Verstorbenen bedeuten konnten. Doch er konnte sich ja nicht einmal sicher sein, sie richtig verstanden zu haben.
    Guy hatte ihn schließlich aus der Halle gezerrt und ihm den Weg ins Knappenquartier gewiesen, nachdem er ihn kurz davon in Kenntnis gesetzt hatte, dass es mehrere Adelige am Hof gab, die entweder nur einen oder noch gar keinen Knappen in ihren Diensten hatten. Zu überstürzt war alles gekommen, nachdem zu Beginn des Jahres noch niemand damit hatte rechnen können, dass ein solch abrupter Herrscherwechsel bevorstehen würde. Immerhin war Henry II. trotz seiner sechsundfünfzig Jahre noch ein unverwüstlicher Haudegen gewesen. Und so manch böse Zunge hatte gemunkelt, dass bei seinem Tod vielleicht ein wenig nachgeholfen worden war. Es würde nicht schwer sein, einen Herrn für ihn zu finden, hatte ihn der Ritter seines Vaters beruhigt, als der Knabe sich mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend von ihm verabschiedet und die

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