Schwerter und Rosen
hinten zu lehnen und den Mund zu öffnen, was diesem jedoch aufgrund einer geschwollenen Backe schwerzufallen schien. Vermutlich hatte sich der Pechvogel in der letzten Schlacht einen Zahn ausgeschlagen, dessen Wurzel noch in der Wunde saß und sich entzündet hatte, dachte Konrad unberührt, während er sich einen Kanten harten Brotes angelte und die Operation interessiert verfolgte. Mit strenger Miene ermahnte der Kirchenmann den Schützen, sich still zu verhalten, hob eine lange Zange mit spitzem Kopf auf und fuhr mit dem Instrument in die Mundhöhle des Bogenschützen. Dieser schnellte bereits nach wenigen Augenblicken mit einem empörten Schmerzensschrei in die Höhe, führte die Hand an die Lippen und blickte mit aufgerissenen Augen auf das Blut, das daran haften geblieben war. Triumphierend hob der Mönch den winzigen Zahnstummel vom Boden auf, überreichte ihn dem Soldaten mit einem ermutigenden Schulterklopfen und empfahl ihm, die Wunde mit Met zu reinigen. Bevor sich der so Behandelte von seinem Schreck erholen konnte, hatte der Heiler seine Instrumente zusammengepackt und war in den Gassen der Zeltstadt verschwunden, wo noch andere Leidende auf seine Hilfe warteten.
Als Konrad das trockene Brot geschluckt hatte, ließ er dieser wenig schmackhaften Speise ein Stückchen kalten Schweinebauch folgen, das in einer Lache aus geronnenem Fett schwamm. Dank des ungehinderten Zugangs zum Meer und der Ankunft weiterer Schiffe aus Deutschland und Italien mangelte es ihnen nicht an Nahrung. Aber die Tatsache, dass Salah ad-Din die Christen nach der für beide Seiten katastrophal verlaufenen Schlacht Anfang Oktober mit einem zweiten Belagerungsring eingeschlossen hatte, beunruhigte den Franzosen. Zwar war es seitdem zu keinen weiteren Kampfhandlungen gekommen – sah man einmal von dem kurzen, aber heftigen Gefecht auf See ab, bei dem fünfzig maurische Galeeren vor zwei Wochen die christliche Seeblockade durchbrochen und die Eingeschlossenen mit Waffen und Lebensmitteln versorgt hatten. Doch das untätige Herumsitzen und Beschnuppern des Feindes zermürbte Konrads Nerven weit mehr, als eine zünftige Begegnung mit den Sarazenen es getan hätte. Wenn nur der Deutsche Kaiser endlich eintreffen würde! Gerüchten zufolge war sein Heer auf dem Marsch der Donau entlang auf über 100 000 Mann angewachsen.
»Pfui Teufel!« Angewidert spuckte er das ranzige Stück Schwarte aus, auf das er gedankenverloren gebissen hatte, und ließ den Blick über die in der ruhigen Bucht liegenden Kriegsschiffe gleiten. Scheinbar friedlich schaukelten die Galeeren des Feindes nur wenige hundert Schritt entfernt von den Schiffen der Christen auf den sanften Wellen und schienen darauf zu warten, endlich wieder zum Einsatz zu kommen. Während die eigenen Schiffe dafür sorgten, den Nachschub des Feindes abzuschneiden, suchten die maurischen Galeeren es zu verhindern, dass die Belagerer weiteres Baumaterial für Kriegs- und Belagerungsmaschinen erhielten. Doch sobald die für Herbst und Winter so typischen Stürme nachließen, würde Konrad höchstpersönlich nach Tyros auslaufen, um das dringend benötigte zusätzliche Holz und Eisen herbeizuschaffen. So konnte er nicht nur der verhassten Fratze dieses Schaumschlägers Guy de Lusignan entkommen, sondern auch weitere Schritte in die Gänge leiten, den – in seinen Augen unrechtmäßigen – König von Jerusalem vom Thron zu stoßen. Ein Großteil der Barone war bereits auf seiner Seite, und wenn die Dinge weiterhin so vorteilhaft für ihn verliefen, dann würde Guy bald mit eingezogenem Schwanz das Weite suchen!
Hastig griff er nach einem mit frischem Süßwasser gefüllten Krug, um den widerlichen Geschmack des alten Fettes loszuwerden, gurgelte und spuckte in hohem Bogen aus. Er würde ein wenig schwimmen gehen, bevor die Hitze des Tages sich durch den Nebel kämpfte, beschloss er, und schlenderte auf die flache Uferböschung zu, wo bereits eine Handvoll Deutscher denselben Gedanken gehabt hatte. Nur mit ihren leinenen Brouches bekleidet wateten sie durch das kaum schulterhohe Wasser, um sich in der Mitte des Flusses abzustoßen und mit ausgreifenden Zügen die ruhigen Fluten zu teilen. Nicht in der Stimmung, die Erfrischung mit den niedrigeren Männern zu teilen, wandte sich Konrad ein wenig weiter flussaufwärts, streifte Cotte und Surkot über den Kopf, bevor er die Beinlinge von seiner Brouche abnestelte und sich ebenfalls in das erfrischende Nass gleiten ließ. Genüsslich ließ er das
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