Schwerter und Rosen
lugte verstohlen in den angrenzenden Raum.
Etwa ein halbes Dutzend Männer in dunklen Überwürfen, die im Halbkreis um die Feuerstelle versammelt waren, hatten dem Sprecher den Kopf zugewandt, wobei einige von ihnen zustimmend nickten. Unter ihnen erkannte Harold den stiernackigen John of Littlebourne sowie Richard de Reviers, den Earl of Devon, dessen Knappe ihm schon mehr als einmal Hilfestellung bei einer der schwierigen Aufgaben geleistet hatte, die sein Dienstherr ihm so selbstverständlich abverlangte. Die anderen Gesichter konnte er aufgrund der sparsamen Beleuchtung und der tiefen Kapuzen nicht zuordnen. »Die Frage ist doch, was uns wichtiger ist«, warf ein hochgewachsener Mann zu Littlebournes Rechten ein. »Die Beute des Kreuzzuges oder das, was wir hier vorfinden, wenn wir zurückkehren.« Zustimmendes Gemurmel, aber auch der eine oder andere Protest erhoben sich, ehe der Earl of Essex Ruhe gebietend die Hand hob. »Beides, mein lieber Henry, beides!« Natürlich, schoss es Harold durch den Kopf. Henry of Cirencester! Einer der im Turnier meist gefürchteten Ritter des Landes, den er schon mehr als einmal beim Übungskampf auf dem weiten Feld zwischen dem neu gezogenen Burggraben und der hoch aufragenden Wehrmauer bewundert hatte. Der Ritter, von dem man munkelte, dass er schon bald in den Stand eines Earls erhoben werden könnte. Was führten diese Männer im Schilde?
Während er mit hämmerndem Herzen dem Fortgang der Unterhaltung folgte, keimte in dem heimlichen Lauscher der unaussprechliche Verdacht auf, dass die hier Versammelten nicht weit davon entfernt waren, Hochverrat zu begehen. Als er genug gehört hatte, und die Runde mit letzten Ermahnungen zum Stillschweigen sich aufzulösen begann, versuchte Harold mit vor Aufregung zitternden Händen, die Tür wieder zu schließen. Da eines der Scharniere ein gequältes Quietschen von sich gab, hielt er jedoch erschrocken inne. »Was war das?« Alle Köpfe in dem angrenzenden Gemach waren in seine Richtung gezuckt, und – ohne lange darüber nachzudenken – hechtete sich der Knabe auf sein Lager zurück, drehte sich zur Wand und schloss mit einem stillen Stoßgebet die Augen. Stunden schienen zu vergehen, während sein Blick starr vor Furcht über die der Tür gegenüberliegende Wand huschte, und sich der schwere Tritt gepanzerter Stiefel näherte. Dann fiel der warme Schein einer der Fackeln auf die zusammengekauerte Gestalt des Knaben und er vernahm ein gefährliches Schnauben. »Der Bengel hat gelauscht«, zischte Littlebourne, stieß den vor ihm im Rahmen stehenden Cirencester zur Seite und zerrte Harold grob auf die Beine.
Vor den Toren Akkons, November 1189
Täuschende Ruhe lag über dem Lager der Kreuzfahrer, als Konrad von Montferrat vor sein geräumiges Zelt trat, um die Kühle des Morgens zu genießen. Zu dieser frühen Stunde lastete der dichte Nebel der Nacht noch zäh über der Bucht vor der Landzunge, und an den Blättern der Bäume und Büsche hingen pralle Tautropfen. Schillernd brach sich das Licht der überall aufgestellten Fackeln in den Pfützen und der ruhigen Wasseroberfläche des Kishons, der schwarz und ruhig Richtung Meer floss. Im Norden erhoben sich die immensen Mauern der Festungsanlage Akkons, deren Tiefe von über vierhundert Fuß es bisher verhindert hatte, dass die Steinschleudern und Trebuchets mehr hatten ausrichten können als scheinbar winzige Pockennarben in den ockergelben Stein zu schlagen. Über den dicht mit Armbrustschützen besetzten Zinnen kreisten unzählige Möwen, was den Beobachter vermuten ließ, dass die Sicker- und Abfallgruben der Stadt übervoll waren mit Happen, welche die Vögel von weit her anlockten. Mit einem herzhaften Gähnen reckte sich der schlanke Ritter, fuhr sich mit der schwieligen Hand über den schlecht gestutzten Spitzbart und steuerte auf den Holztisch zu seiner Linken zu, auf dem die Überreste des Mahles vom vergangenen Abend in einer verbeulten Bronzeschüssel darauf warteten, verzehrt zu werden.
Zu seiner Rechten machte sich soeben einer der heilkundigen Brüder dazu bereit, einem bleichen Bogenschützen, der mit verschrecktem Blick auf die Instrumente des Zisterziensers starrte, einen Zahn zu ziehen. Ein letztes Mal setzte der Soldat einen vermutlich mit starkem Met gefüllten Krug an die Lippen und ließ den betäubenden Alkohol die Kehle hinabrinnen. Nachdem er die Ärmel seiner groben Leinenkutte nach oben geschoben hatte, befahl der Mönch seinem Patienten, sich nach
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