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Schwerter und Rosen

Schwerter und Rosen

Titel: Schwerter und Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Hoffnung. Müde und erschöpft schloss er die bleiernen Lider, um wenigstens eine Zeit lang Ruhe zu finden. Solange er nicht voll bei Kräften war, nutzte es nichts, sich den Kopf zu zermartern. Wenn er die Schrecken der vergangenen Monate erst einmal hinter sich gelassen hatte, dann würde er klarer sehen für die Zukunft, die meist weniger Ungewissheit barg, als man annahm, wenn man in einer Notlage gefangen war. Während ihm diese und andere Gedanken durch den Kopf gingen, driftete er langsam ins Reich der Träume.
     
     
    White Tower, November 1189
     
    Der Schmerz war kaum mehr auszuhalten. Mit einem brutalen Griff hatte John of Littlebourne Harold beide Arme auf den Rücken gedreht und ihn in das Gemach des Earls of Essex gestoßen, wo er den Druck so weit erhöhte, dass der Knabe vermeinte, jeden Augenblick würden ihm die Schultern ausgerissen. Heiß und kalt zugleich fuhren ihm kaum erträgliche Stiche durch Arme und Rücken, und wenn der erbarmungslose Ritter den schraubstockartigen Griff nicht bald lockerte, würde Harold sich übergeben müssen. »Was hast du da drin gehört?«, fragte Littlebourne so dicht an Harolds Ohr, dass dieser die Wärme seines Atems spüren konnte. »Los, Bürschchen!« Da ihm der Druck auf seine Lungen die Luft raubte, brachte der zusammengekrümmte Knabe außer einem leisen Stöhnen keinen Laut über die Lippen – was den vierschrötigen Ritter zur Weißglut trieb. Grob schleuderte er den Jungen zu Boden, löste den Gürtel, der seine Cotte zusammenhielt, und drosch ungezügelt auf den Knappen seines Herrn ein. Als dieser die zitternden Arme hob, um seinen Kopf vor den harten Schlägen zu schützen, trat er ihm ins Gesicht und langte nach dem am Kamin lehnenden Schürhaken. »Ich werde die Wahrheit schon aus dir herausprügeln«, brüllte er und holte aus.
    »Lasst ihn.« Mit einem unwilligen Stirnrunzeln trat der rothaarige Henry of Cirencester vor, ergriff den erhobenen Arm und zwang ihn mit scheinbarer Mühelosigkeit an die Seite des Erzürnten zurück. »Ihr wisst doch gar nicht, ob er wirklich gelauscht hat«, wandte er ein, während der letzte der Vermummten hastig durch die Tür verschwand. »Und selbst wenn.« Schmunzelnd hob er die breiten Schultern, von denen ein wadenlanger Umhang in eleganten Falten zu Boden fiel. »Wer glaubt schon so einem Rotzbengel?« Die Wut, die Littlebournes Züge zu einer hässlichen Fratze entstellt hatte, wich langsam der Verachtung. »Eure Naivität wird Euch früher oder später schwer aufstoßen!«, prophezeite er, ließ jedoch den Schürhaken in den Korb mit dem Feuerholz poltern und wandte sich nach einem letzten Tritt in die Nieren von dem würgenden Jungen ab. »Du hast Glück«, knurrte er, bevor er dem Earl of Essex, dessen kalte Augen ausdruckslos auf seinem Knappen ruhten, folgte und vor Cirencester auf den Gang hinaustrat. »Aber das kann sich schnell wenden!«
    Als die schwere Tür hinter den Männern ins Schloss gefallen war, verharrte Harold noch einige Augenblicke regungslos, bevor er sich mit einem Stöhnen aufrichtete, vorsichtig die schmerzenden Arme bewegte und sein Gesicht betastete, das sich anfühlte, als sei es unter die Hufe eines Schlachtrosses gekommen. Als er seine Nase berührte, zuckte er zusammen und stieß einen unterdrückten Schrei aus. Sie musste gebrochen sein, fuhr es ihm durch den Kopf, und nur mühsam rappelte er sich von dem kalten Steinboden auf. Wenn er nicht gleich etwas dagegen unternahm, würde es zu spät sein. Leise fluchend humpelte er auf den Bronzespiegel seines Herrn zu, der vor einem der schmalen Fensterschlitze stand, und hielt erschrocken die Luft an, als ihm sein Spiegelbild entgegenblickte. Unter beiden Augen breitete sich bereits ein prächtiger Bluterguss aus, der schon bald die Farbe einer reifen Pflaume annehmen würde. Seine ehemals gerade Nase zierte ein blutiger Knick und auf der rechten Wange prangte eine beinahe zwei Zoll lange Platzwunde. Schwer atmend hob er die Hände ans Gesicht, legte Zeige- und Ringfinger an die Nase und zögerte einige Lidschläge lang. Erst einmal hatte er gesehen, wie einer der Ritter seines Vaters einen solchen Bruch gerichtet hatte, und damals war es ihm lächerlich einfach vorgekommen. Auch schien es schmerzlos gewesen zu sein für den erprobten Lanzenkämpfer, da er keine Miene verzogen hatte, als ein ekelhaftes Knacken verkündet hatte, dass die Knorpel an die richtige Stelle zurückgeglitten waren.
    Was ein Ritter seines Vaters konnte, das

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