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Schwerter und Rosen

Schwerter und Rosen

Titel: Schwerter und Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Dunkelheit nach Westen zu eilen. Als sie nach wenigen Minuten der Flucht eine Flussbiegung am Rand des Lagers erreichten, hielt Harold keuchend an und wies nach Norden. »Einige Meilen weiter gibt es ein Dorf«, stieß er atemlos hervor. »Verbirg dich dort.« Als die Gerettete keine Anstalten machte, seiner Aufforderung Folge zu leisten, sondern ihn nur entgeistert anstarrte, versetzte er ihr mit der flachen Hand einen leichten Stoß in den Rücken und flüsterte eindringlich: »Los, beeil dich!« Ohne auf eine Antwort zu warten, warf er ihr einen letzten Blick zu, wandte sich um und rannte so schnell ihn seine Füße trugen zurück zum Zelt seines Herrn, wo er bereits erwartet wurde. »Na, Bürschchen«, empfing ihn Essex mit einem raubtierhaften Grinsen. »Hast du dich auch ein wenig amüsiert?« Bevor Harold antworten konnte, winkte sein Herr jedoch ab und biss herzhaft in ein Stück Braten, das er sich von einem inzwischen abgekühlten Schwein heruntergesäbelt hatte. »Es geht doch nichts über ein wenig Ablenkung am Abend«, höhnte er und schlenderte ins Innere des Zeltes zurück.
     
     
    Jerusalem, Die Zitadelle, Mai 1190
     
    »Wo ist er?« Außer Atem eilte Shahzadi in das Gemach des Großwesirs, dessen sorgenumwölktes Gesicht sie Übles ahnen ließ. Da ihr Bruder sich immer noch vor Akkon aufhielt, oblag es ihr, sich um die wichtigen, die Sicherheit der Stadt betreffenden, Angelegenheiten zu kümmern. »Prinzessin.« Mit einer tiefen Verbeugung begrüßte der frühzeitig ergraute al-Hassan die älteste Schwester seines Herrn, die er mehr fürchtete, als er sich eingestehen wollte. Wie jeder im Hofstaat des kurdischstämmigen Herrschers über Syrien und Ägypten wusste auch er, dass Shahzadi und der Sultan in ihrer Jugend weitaus mehr als das geliebte Schachspiel miteinander geteilt hatten. Der Beweis – Salah ad-Dins Bastard mit seiner Schwester – kämpfte wie all seine anderen Söhne als General in seiner Streitmacht. »Ich habe ihn in den Kerker werfen lassen«, informierte er die schlanke Frau, deren Körper gespannt war wie der einer zum Sprung geduckten Raubkatze. Die Wächter hatten den Mann aufgegriffen, als er sich in das Viertel hatte stehlen wollen, in dem die Zitadelle auf einer schroffen Erhebung thronte. »Fein«, bemerkte die Prinzessin mit nur mühsam unterdrückter Ungeduld. »Dann ruft die Folterer!« Mit einer herrischen Geste entließ sie den Wesir, ergriff eines der Schicksalsstäbchen, mit denen sie sich die Zeit vertrieben hatte, und zerbrach das bunt bemalte Holz in der Mitte, bevor sie es wütend auf den Tisch pfefferte. Dann warf sie einen dunklen Kaftan mit langen Ärmeln über ihr elfenbeinfarbenes Gewand. Nachdem sie sich versichert hatte, dass ihr Haar makellos unter dem taubenblauen Schleier verstaut war, klatschte sie in die Hände und eilte – von zwei Sklaven begleitet – in die Kerkergewölbe hinab.
    »Ihr wolltet also die Festungsanlagen ausspionieren?« Obgleich Shahzadis tiefe Stimme sanft war wie die eines Kätzchens, schwang eine unüberhörbare Drohung in ihr mit. Der Mann, den die Wächter des Sultans am Rande der Stadtmauer aufgegriffen hatten, hing im Keller der Zitadelle splitternackt in schweren Ketten, die seine Extremitäten so weit abspreizten, dass der Eindruck entstand, er sei an ein rechtwinkliges Kreuz genagelt. Außer einem leisen Stöhnen erhielt sie keine Antwort auf diese rhetorische Frage. Und da sie das auch nicht erwartet hatte, schritt sie langsam einmal um die aufgehängte Gestalt herum, ehe sie sich an einen der Folterer wandte, der bereits ein glühendes Stück Eisen in der Rechten hielt. »Was habt Ihr sonst noch aus ihm herausbekommen?«, fragte sie mit hochgezogenen Brauen. »Nur seinen Auftraggeber«, erwiderte der selbst von unzähligen Narben entstellte Mann und näherte sich seinem Opfer. »Sonst noch nichts.« Mit einem angewiderten Naserümpfen trat Shahzadi einige Schritte von dem Gefangenen zurück, welcher der glühenden Stange erfolglos auszuweichen versuchte. »Wer spioniert sonst noch für den Patriarchen?«, fragte der Großwesir, der ebenfalls anwesend war, knapp. Aber bevor er eine Antwort darauf erhalten konnte, stieß der Mann einen solch durchdringenden Schrei aus, dass selbst Shahzadi unvermittelt zusammenfuhr. Während der Schrei zu einem gequälten Gebrüll anschwoll, drang das Eisen mehrere Zoll tief in den Anus des Gefolterten ein, um kurz vor der Stelle, an der es tödlichen Schaden angerichtet hätte, wieder

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