Schwerter und Rosen
andere. Während Philippa dem Flug des zierlichen blaugrünen Vogels folgte, warf sie die dünne Leinendecke zurück und schwang die Beine aus dem Bett. Neugierig trat sie an das Arabeskenfenster, um zu sehen, was ihren gefiederten Gefährten aus seinem trägen Brüten aufgeschreckt haben mochte. Doch als sie die Nase an das eiserne Gitter presste, konnte sie außer der erdrückenden Blütenpracht des Gartens nichts erkennen. Versonnen folgte sie dem Flug einer Hummel, die von einem einladenden Kelch zum nächsten zog, und versank in der Betrachtung der gezähmten Natur vor ihrem Fenster.
Volle zwei Tage hatte Salah ad-Din, der kurz nach Jerusalem zurückgekehrt war, um dort nach dem Rechten zu sehen, ihr seine Aufmerksamkeit geschenkt. Etwas, das die anderen Konkubinen und Gespielinnen des Sultans mit Unwillen und Eifersucht erfüllte. Nachdem sie wie ausgehungert übereinander hergefallen waren, hatte Philippa die Ruhe genossen, die wie immer über sie kam, wenn sie nach dem vollzogenen Liebesakt an seiner Brust ruhte und auf seinen dumpfen Herzschlag lauschte, der in ihrem Kopf zu dröhnen schien. Als sie schließlich beide die Füße auf die warmen Fliesen gesetzt hatten, um sich in dem heißeren der drei Dampfbäder des Hamams durchheizen zu lassen, hatte er ihre Hand ergriffen, sie sanft an die Lippen geführt und sie mit einem merkwürdigen Ausdruck in den schiefergrauen Augen gefragt: »Bist du denn gar nicht neugierig, wie die Sache deiner Glaubensbrüder steht?« Woraufhin Philippa mit einem kurzen, klingenden Lachen und einem Augenzwinkern erwidert hatte: »Nein, mein Sultan. Ich bin lieber der Vogel in deinem goldenen Käfig als in dem meines Vaters!«
Erstaunt über die Heftigkeit ihrer Worte hatte er innegehalten und ihren Blick gesucht. »Wie anders als alle Frauen du bist!«, hatte er erstaunt festgestellt. »Jedes andere Mädchen hätte versucht, mich mit einer Lüge abzuspeisen. Aber bei dir kann ich sicher sein, dass das, was du sagst, auch dem entspricht, was du denkst.« Er hatte andächtig ihre Fingerspitzen betrachtet. »Ich habe mich mit Shahzadi gestritten«, hatte er zerknirscht gestanden, als sie sich auf die gerade noch erträglich heißen Marmorbänke des Hitzeraums niedergelassen hatten. »Sie denkt, ich kümmere mich nicht genug um die Finanzierung dieses Krieges.« Ein resignierter Ausdruck war über die wettergegerbten Züge gehuscht, doch Philippa hatte tröstend die Hand auf seinen Arm gelegt. »Sie vermisst dich«, stellte sie sachlich fest. »Und sie langweilt sich.« Salah ad-Dins Kiefermuskeln spielten unter dem dichten Bart, als er diese Bemerkung verarbeitete. »Ja.« Er nickte. »Vermutlich hast du recht. Aber ich kann nicht an zwei Orten gleichzeitig sein.«
Jetzt, da er wieder im Sattel seiner feurigen Araberstute saß, um zurück zu der – wie er es nannte – in einem klassischen Patt gelähmten Belagerung zu reiten, fühlte sich das Mädchen leer und unausgeglichen. Mit einem tiefen Seufzer wich Philippa von dem aufwendig geschmiedeten Gitter zurück, trat zu dem Kolibri, dem sie sich so verwandt fühlte, und nahm eine der zartrosa Lotusblüten auf, um sie ihm als Futter anzubieten. Als er sich jedoch auf einer der hölzernen Stangen niederließ und sie mit schief gelegtem Kopf beobachtete, legte Philippa die Blume zurück in das Wasserglas und lenkte die Gedanken zurück zu Shahzadi. Auch ihr bereitete das Verhalten der Prinzessin in letzter Zeit Sorgen, und sie würde sich in Zukunft noch mehr darum bemühen, der immer aufbrausender werdenden Schwester ihres Liebhabers aus dem Weg zu gehen. Denn ohne Salah ad-Dins Schutz war sie der Willkür der älteren Frau genauso ausgeliefert wie all die anderen Frauen im Harem.
Jerusalem, Jüdisches Viertel, Juni 1190
Hungrig und voller Leidenschaft erwiderte Rahel den Kuss des Tempelritters, der sie in den Schatten einer Palme gezogen hatte, um den neugierigen Augen der Bediensteten aus dem Weg zu gehen. Während Curd seine Arme um ihre Schultern schlang, reckte sie sich auf die Zehenspitzen, verschränkte die Finger in seinem Nacken und zog ihn näher an sich, um den Kuss zu vertiefen. Ein Wechselbad aus heißen und kalten Schauern ergoss sich über ihren angespannten Körper, als die Rechte des Templers ihren Rücken hinabwanderte und auf der zarten Rundung ihrer Rückseite zum Ruhen kam. Beruhigend und erregend zugleich drang die Wärme seiner Handfläche durch den dünnen Stoff ihres schlichten Obergewandes.
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