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Schwerter und Rosen

Schwerter und Rosen

Titel: Schwerter und Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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dich nicht länger in dem Glauben lassen, eine Jüdin zu sein«, presste er erstickt hervor und senkte den Kopf. »Vater.« Zwar bebte Rahels Stimme, aber nachdem sie die Fingerkuppen über die Insignien hatte gleiten lassen, erhob sie sich und trat neben ihn. »Ich kenne keinen anderen Vater als Euch«, sagte sie ruhig und ergriff eine seiner Hände, die schlaff in seinem Schoß ruhten. »Was immer mein leiblicher Vater sich gedacht hat, er hat Euch vertraut!« Voller Überraschung über ihre Reaktion hob Nathan den gesenkten Kopf und blickte ihr in die von widerstreitenden Empfindungen getrübten Augen. »Dann verachtest du mich nicht für das, was ich getan habe?«, fragte er tonlos. »Verachten?« Rahel lachte leise. »Wofür? Für all die Liebe, die Ihr mir geschenkt habt? Für all die Freude und Zuneigung, die ich in Eurem Haus erfahren habe?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Vater, ich verachte Euch ganz gewiss nicht.« Nach einer lastenden Pause, in der die Geräusche der Außenwelt an Lautstärke zuzunehmen schienen, erhob sich der Jude schwer wie ein alter Mann und führte ihre kalten Finger an seine Stirn. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viel mir das bedeutet.« Eine weitere Träne hatte sich aus seinen Augen gelöst und versiegte in seinem Vollbart. »Aber ich kann dich nicht länger von deinen Landsleuten fernhalten – jetzt wo Jerusalem in der Hand der Sarazenen ist.« Rahels Augen weiteten sich. »Wie meint Ihr das?«, fragte sie mit vage aufkeimender Hoffnung. »Du weißt, wie ich das meine.« Ein leichtes Schmunzeln kehrte auf Nathans Züge zurück. »Er ist ein guter Mann.« Nun war es an Rahel zu lächeln. »Es gibt da allerdings ein Problem.« Die Stirn des Kaufherrn umwölkte sich erneut. »Durch das Feuer und das Lösegeld, das ich für meine Freilassung aufbringen musste, habe ich kein Geld mehr für eine Mitgift.«

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    Während dieser Aussprache zwischen Vater und Tochter zermarterte sich Curd von Stauffen, der inzwischen die engen Gassen jenseits des Platzes erreicht hatte, das Gehirn, wie er das Verhalten des Juden deuten sollte. Zwar begegnete ihm der Kaufherr mit ausgesuchter Höflichkeit, doch konnte er sich andererseits des Eindrucks nicht erwehren, dass er alles unternehmen würde, um seine Tochter vor der schrecklichen Sünde einer Mischheirat zu bewahren. Mit einem leisen Fluchen machte er einen Bogen um einen der zerlumpten Bettler und schlug den Weg zu seiner schäbigen Unterkunft ein, der er immer noch nicht entflohen war. Zu den Komplikationen mit Nathan war am vergangenen Abend ein Schock getreten, der ihm immer noch tief in den Gliedern saß. Als er – fest entschlossen, den kurz in der Stadt verweilenden Salah ad-Din zu sprechen – das jüdische Viertel verlassen und den Weg zu der hoch über der Stadt thronenden Zitadelle eingeschlagen hatte, war ihm vor Entsetzen der Atem gestockt. Über dem der Stadt zugewandten Eingang hing der nackte, verstümmelte Leib des Klosterbruders, der ihn vor über einem halben Jahr mit seinem unehrenhaften Ansinnen belästigt hatte. Das war also der Preis, den er dafür hatte zahlen müssen! Erkennend, dass es vermutlich nicht der geeignete Augenblick für eine Audienz bei dem Herrn über Leben und Tod war, hatte er nach einem letzten Blick auf die blutigen Überreste des Mönches kehrtgemacht und war durch die von der hereinbrechenden Dämmerung schöngefärbte Stadt gestreift.
     
     
    An der Grenze von Aquitanien zur Gascogne, Juni 1190
     
    Die Burg an der Grenze zum Herzogtum Gascogne, welche die Damen nach über dreiwöchiger Reise erreicht hatten, lag auf einem steil abfallenden Hügel, von dem aus man das zerklüftete Umland meilenweit überblicken konnte. Am Fuße der mächtigen Festung schmiegte sich ein malerisches Dorf in die Felsen, und selbst das kleinste Fleckchen Grün der terrassenähnlich angelegten Felder und Gärten wirkte makellos gepflegt. Am flachen Ufer des Flusses machte soeben ein halbes Dutzend Fischerbote fest, und nachdem der reiche Fang auf den eigens dafür bereitgestellten Wagen verstaut worden war, schlängelte sich der Zug der Ochsenkarren die engen Serpentinen hinauf, um vor dem Flachbau der Räucherstube zum Halten zu kommen. Keine drei Meilen weiter flussaufwärts erhob eine weitere Festungsanlage ihr zackiges Haupt, während die dicht bewaldeten Hügel am Horizont mit dem dunklen Blau des Himmels verschmolzen. Überall herrschte emsiges Treiben, da dank des regenreichen Frühsommers die

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