Schwerter-Zylus 03 - Schwerter im Nebel
von ihm abzulassen. Sie flogen jedenfalls nicht mehr sinnlos gegen die Tür oder klammerten sich kreischend an das Gitter.
Durch die Öffnung hatte er einen guten Ausblick auf den dunklen Altar und die leiterähnlichen Vogelstangen. Die schwarzen Umrisse regten sich unruhig, rückten hin und her, bedrängten einander, flatterten aufgeregt von Stufe zu Stufe. Schwerer Vogelgeruch lag in der Luft.
Und dann hörte er wieder das heisere Falsett, doch diesmal war es nicht nur eine Stimme.
»Juwelen, Juwelen. Schimmernd, schimmernd.«
»Blitzende Juwelen, leuchtende Juwelen.«
»Ohr zerfetzt, Auge aus.«
»Wange kratzt. Nacken krallt.«
Es konnte kein Zweifel mehr bestehen, daß da die Vögel sprachen. Fafhrd starrte fasziniert durch die Tür. Schon öfter hatte er Vögel reden hören, kannte fluchende Papageien und heisere Raben. Auch diese Vögel sprachen mit der typischen Monotonie, auch sie wiederholten alles und schienen die Worte nur sinnlos nachzusprechen.
Aber was die Tiere da sprachen, war so teuflisch, daß er einen Augenblick lang befürchtete, die Stimmen würden sich zu einem intelligenten Gespräch aus Frage und Antwort zusammenfinden. Und das ganz und gar nicht sinnlose Kommando: »Mensch! Mensch! Töten! Töten!« wollte ihm nicht aus dem Sinn.
Während er noch gebannt dem grausamen Chor lauschte, huschte eine Gestalt an dem Gitterfenster vorbei und ging auf den Altar zu. Ein nur entfernt menschenähnliches Wesen ohne Gesicht, mit einheitlich lederbrauner Haut, wie ein dickhäutiger haarloser Bär. Fafhrd sah, wie sich die Vögel auf die neue Gestalt warfen, wie sie sie umschwärmten und krächzend darauf einhackten.
Doch das Wesen kümmerte sich überhaupt nicht um die Tiere, als wäre es gegen Schnäbel und Giftkrallen immun. Ohne Eile und mit erhobenem Kopf näherte es sich dem Altar. Dort drang inzwischen ein Mondstrahl aus einem Dachspalt fast senkrecht herab und erzeugte einen bleichen Fleck auf dem Fußboden vor dem eigentlichen Altar, und Fafhrd sah das Wesen in einem großen Kästchen herumfummeln und kleine Gegenstände herausnehmen, die in der Dunkelheit blitzten und schimmerten. Die Gestalt kümmerte sich nicht um die Vögel, die nun in noch größerer Anzahl heranflatterten.
Dann trat die Kreatur einen Schritt zurück, so daß sie im Mondlicht voll zu sehen war, und Fafhrd erblickte einen Mann in einem unförmigen Lederanzug, der nur zwei lange schmale Augenschlitze hatte und den Körper ansonsten verdeckte. Ungeschickt, aber geduldig stopfte er den Inhalt des Kästchens in einen Lederbeutel, den er bei sich trug. Und Fafhrd machte sich klar, daß der Kasten das Versteck für die vielen Juwelen gewesen war, die die Vögel gestohlen hatten.
Die ledergeschützte Gestalt beendete ihre Arbeit und ging auf dem gleichen Weg zurück, den sie gekommen war, noch immer von der schwarzen Gewitterwolke aus wild krächzenden Vögeln umgeben.
Doch als sie an Fafhrds Tür vorbeikam, fielen die Vögel plötzlich von ihr ab und flogen zum Altar zurück, als hätten sie in all dem Durcheinander plötzlich einen Befehl vernommen. Die Ledergestalt erstarrte und sah sich suchend um, und die langen Augenschlitze gaben ihr ein unheimliches, drohendes Aussehen.
Dann setzte sie sich wieder in Bewegung. Doch im gleichen Augenblick fiel eine Schlinge herab und legte sich um den lederbehelmten Kopf.
Die Gestalt begann zu zappeln und unsicher zu schwanken, sie betastete mit der unförmigen Hand ihren Hals. Dann schwenkte sie auffällig die Arme, so daß ihr der große Beutel in der Hand aufsprang und einen Strom von Edelsteinen und kostbarem Edelmetall verstreute. Ein letztes geschicktes Rucken des Seils brachte das Wesen zu Fall.
Fafhrd hielt den Augenblick für gekommen, einen Ausbruchsversuch zu machen. Er hoffte, daß das Durcheinander und die Überraschung auf seiner Seite waren. Doch das war ein Irrtum. Vielleicht hatte doch eine Spur Gift aus seinen Venen einen Weg in sein Gehirn gefunden.
Fast hatte er den Durchgang erreicht, der zu den Schießscharten führte, als sich eine zweite Schlinge um seinen Hals legte. Seine Füße traten plötzlich Luft, und er schlug hart mit dem Schädel auf. Die Schlinge wurde noch enger gezogen, und er hatte das Gefühl, in einem Meer aus schwarzen Federn zu versinken – einem Meer, in dem alle Edelsteine der Welt schwammen.
Als das Bewußtsein schmerzvoll wieder die Oberhand gewann, hörte er eine unsichere Stimme entsetzt ausrufen:
»Im Namen des Großen Gottes,
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