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Schwerter-Zylus 03 - Schwerter im Nebel

Schwerter-Zylus 03 - Schwerter im Nebel

Titel: Schwerter-Zylus 03 - Schwerter im Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Leiber
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wer bist du? Was bist du?«
    Daraufhin eine zweite Stimme – hoch, süßlich, vogelgleich, befehlsgewohnt, eisig: »Ich bin die geflügelte Priesterin, die Herrin der Falken. Ich bin die Krallenkönigin, die Federprinzessin, die Inkarnation jeder Frau, die hier ewig regiert, trotz des Verbots der Priester, trotz der Befehle des Oberherrn. Ich belege die hochmütigen und wollüstigen Frauen Lankhmars mit gerechter Strafe. Ich sende meine Boten aus, um den Tribut einzuholen, der in früherer Zeit freiwillig, wenn auch mit Zittern und Zagen auf meinen Altar gelegt wurde.«
    Wieder sprach die erste Stimme, hörbar verängstigt: »Aber du kannst mir unmöglich etwas antun. Ich werde dein Geheimnis bewahren. Ich bin nur ein Dieb.«
    Und die zweite Stimme: »Das bist du wirklich, du wolltest den Altarschatz der Geflügelten Tyaa rauben, und für dieses Verbrechen verhängen die Vögel von Tyaa eine Strafe, die ihnen angemessen erscheint. Wenn sie meinen, du hättest Gnade verdient, wirst du nicht sterben; sie picken dir dann nur ein Auge aus – oder auch zwei.«
    Ein seltsames Trillern und Schilpen lag in der Stimme, so daß sich Fafhrds schmerzgepeinigtes Gehirn immer wieder einen ungeheuren Singvogel vorstellte. Er versuchte auf die Füße zu kommen, merkte jedoch, daß er an einen Stuhl gefesselt war. Seine Arme und Beine waren schon abgestorben. Nur durch seinen linken Arm schoß dann und wann ein heftiger Schmerz.
    Langsam verlor das Mondlicht etwas von seiner Schärfe, und er erkannte, daß er noch immer in derselben Kammer saß, dem Altar zugewandt, unmittelbar vor der Tür mit dem Gitterfenster. Neben ihm stand ein zweiter Stuhl, auf dem der lederbewehrte Mann saß, ähnlich gefesselt. Der Helm war ihm abgenommen worden und enthüllte den glattrasierten Kopf und das pockennarbige Gesicht eines Mannes, in dem Fafhrd den bekannten Beutelschneider Stravas erkannte.
    »Tyaa, Tyaa«, krächzten die Vögel. »Augen aus. Nase pickt.«
    Stravas' Augen waren dunkle Angstschlitze zwischen seinen abrasierten Brauen und den dicken Wangen. Wieder wandte er sich zum Altar.
    »Ich bin ein Dieb, gewiß. Du aber auch. Die Götter dieses Tempels sind verbannt und verboten. Der Große Gott hat sie persönlich verflucht. Sie haben dieses Haus vor Jahrhunderten verlassen. Was du auch sein magst – du bist auf jeden Fall ein Eindringling. Irgendwie – vielleicht durch Zauberkräfte – hast du den Vögeln das Stehlen beigebracht und nutzt dabei ihre natürliche Vorliebe für schimmernde Dinge aus. Was sie stehlen, wandert in deine Tasche.
    Du bist nicht besser als ich, der ich dein Geheimnis erraten habe und dich nun berauben wollte. Du bist keine Priesterin, die wegen eines heiligen Verstoßes ein Todesurteil aussprechen kann. Wo sind deine Anbeter? Wo sind deine Priester? Wo ist deine Milde? Du bist eine Diebin!«
    Er stemmte sich in seine Fesseln, als wollte er der Vernichtung entgegenstürzen, die er mit seiner mutigen Rede herausgefordert hatte. Dann erblickte Fafhrd hinter Stravas eine Gestalt, die ihn an seinen Sinnen zweifeln ließ: einen Mann mit Ledermaske.
    Doch ein zweiter Blick enthüllte ihm, daß die Maske nur ein schmaler Lederstreifen war und der Mann im übrigen die Kleidung eines Falkners trug – ein schweres Wams und riesige Armschützer. An seinem breiten Ledergürtel hingen ein Kurzschwert und ein aufgerolltes Lasso. Fafhrd drehte sich mühsam zur Seite und machte neben seinem Stuhl die Umrisse einer ähnlichen Gestalt aus.
    Nun klang wieder die Stimme vom Altar herüber, noch schärfer, noch etwas schriller, doch immer noch melodisch und erschreckend vogelähnlich. Und als sie aufklang, riefen die Vögel im Chor: »Tyaa! Tyaa!«
    »Nun stirbst du auf jeden Fall, und zwar qualvoll. Und der Mann da neben dir, dessen gottloser Adler Kivies tötete und dann selbst getötet wurde, stirbt auch. Aber ihr werdet in dem Bewußtsein umkommen, daß Tyaa wirklich Tyaa ist und daß ihre Priesterin und Inkarnation kein Eindringling sein kann.«
    Fafhrd schaute nun direkt zum Altar – etwas, das er aus einem abergläubischen Widerwillen bisher unwillkürlich vermieden hatte.
    Der Mondstrahl war ein wenig näher an den Altar herangekrochen und enthüllte zwei Steingestalten, die wie Wächter zu beiden Seiten aufragten. Sie hatten Frauengesichter, doch die drohend erhobenen Arme endeten in Klauen, und eingefaltete Flügel ragten über ihre Schultern. Welch Künstler da auch vor langer Zeit am Werk gewesen war – er hatte

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