Schwerter-Zylus 03 - Schwerter im Nebel
eine teuflische Geschicklichkeit aufgewandt, denn es sah ganz so aus, als wollten die Gestalten im nächsten Augenblick ihre Steinflügel ausbreiten und sich in die Luft erheben.
Auf dem eigentlichen Altar, zwischen den geflügelten Frauen, doch ein wenig weiter zurück und außerhalb des Mondstrahls, hockte eine große schwarze Gestalt mit herabhängenden schwarzen Gebilden, bei denen es sich um Flügel handeln mochte. Fafhrd starrte darauf und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, und sein gelähmter Geist versuchte sich vergeblich auf den Anblick einzustellen.
Zugleich begannen seine Finger, ohne daß er sie bewußt lenken mußte, das feste Seil zu bearbeiten, mit dem seine Handgelenke gefesselt waren.
»Wisse, du Narr«, tönte die Stimme der schwarzen Gestalt, »daß Götter nicht zu existieren aufhören, wenn sie durch falsche Priester verbannt werden; daß sie auch nicht fliehen, wenn der Fluch eines falschen und anmaßenden Gottes auf ihnen lastet. Wenn sich Priester und Anbeter auch zerstreuen, die Götter bleiben. Ich war klein und hatte keine Flügel, als ich zum erstenmal hier heraufstieg, und doch spürte ich Tyaas Gegenwart in jedem Stein. Und ich wußte sofort, daß mein Herz ihr zugewandt war.«
In diesem Augenblick hörte Fafhrd den Mausling rufen; ganz leise und kaum verständlich drang der Laut herauf. Der Ruf schien weiter unten aus dem Tempelinnern zu kommen und vermischte sich mit dem schwachen, dumpfen Dröhnen des Hlal. Die Gestalt auf dem Altar stieß einen trillernden Schrei aus und machte eine Bewegung, und einer der herabhängenden Halbkreise bewegte sich.
Ein schwarzer Vogel schwebte heran und setzte sich auf das Handgelenk des Falkners neben Stravas. Der Mann entfernte sich. Seine Schritte verhallten nach unten, als schritte er eine Treppe hinab. Der andere Mann eilte an die Schießscharte, durch die Fafhrd den Turm betreten hatte, und schnitt mit leisem Knirschen das Seil durch. Dann kehrte er zurück.
»Es will mir scheinen, heute nacht kann sich Tyaa über einen Mangel an Anbetern nicht beklagen«, zwitscherte die Gestalt auf dem Altar. »Und der Tag wird kommen, da alle reichen Frauen Lankhmars entsetzt, doch willenlos hier heraufkommen und Tyaa einen Teil ihrer Schönheit opfern.«
Fafhrds Augen gewöhnten sich immer mehr an das Halbdämmer des Raumes. Es wollte ihm scheinen, die dunkle Gestalt sei zu glatt, als daß sie ein Federkleid haben könnte. Doch er war sich seiner Sache nicht sicher. Er beschäftigte sich weiter mit seinen Fesseln, die sich an seiner rechten Hand langsam lösten.
»Schönheit hinfort, Schönheit hinfort«, sangen die Vögel heiser. »Schnabelkuß. Krallenhieb.«
»Als ich jung war«, fuhr die Stimme fort, »träumte ich nur von diesen Dingen, stahl mich heimlich aus dem Haus meines Vaters an diesen heiligen Ort. Doch schon damals war Tyaas Geist in mir, sorgte dafür, daß mich die anderen fürchteten und mieden.
Eines Tages fand ich hier oben einen jungen Vogel, der sich verletzt hatte, und pflegte ihn gesund. Das Tier war ein Abkomme der alten Tyaa-Vögel, die sich damals in die Berge der Dunkelheit retteten, als der Tempel geschlossen wurde. Dort wollten sie warten, bis Tyaa sie zurückrief. Auf unergründlichem Wege hatte der Vogel gespürt, daß Tyaa in mir wiedergeboren war, und flog hierher. Er gewöhnte sich an mich, und da wir ganz allein waren, erinnerten wir uns nur langsam an die überlieferten Rituale und an die alte Sprache, die zwischen Tyaa und ihren Vögeln gesprochen wurde.
Jahre vergingen, und nach und nach kamen auch die anderen Vögel aus den Bergen der Dunkelheit herüber, einer nach dem anderen. Und sie pflanzten sich fort. Unsere Zeremonien wurden immer vollkommener. Es wurde schwierig für mich, die Priesterin Tyaas zu sein, ohne daß die Außenwelt mein Geheimnis entdeckte. Ich mußte Nahrung für die Vögel heranschaffen. Ich mußte sie unterweisen.
Doch ich bewahrte mein Geheimnis. Und meine Mitmenschen in der Welt dort draußen haßten und verachteten mich immer mehr, meine Macht erfühlend, und sie beleidigten mich und versuchten mich zu erniedrigen.
Tausendmal am Tag wurde die Ehre Tyaas in den Schmutz gezogen. Ich wurde um die Privilegien meiner Geburt und meines Standes betrogen, wurde gezwungen, mich mit den Mächten des Vulgären zusammenzutun. Und doch ging ich darauf ein, tat so, als gehörte ich dazu, spottete über die Geistlosigkeit und Frivolität und Eitelkeit. Ich wartete die Zeit ab, spürte ich
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