Schwerter-Zylus 08 - Ritter und Knappe des Schwerts
hatte, auf dem Boden stand.
Nur Astarion, Nehwons hellster Stern, stand noch als bleicher Punkt am dämmerungsvioletten Himmel, und auch er würde bald verschwinden. Schräg links vor ihnen (das Pendel führte sie immer mehr Richtung Süden und von dem Weg weg, den die Versammlung gestern abend gegangen war) verdeckte eine vom Boden aufsteigende Nebeldecke ganz Salzhaven mit Ausnahme seiner höchsten Dächer sowie der Säulen und dem mit Klanghölzern behangenen Torbogen des Mondtempels, der in der Entfernung klein wirkte. Noch während sie zusahen, wuchs der Nebel auch um diese Gebäude höher und wanderte trotz der Windstille auf sie selbst zu, als weißer Dunst der Erde. An seinem äußeren Rand, dort, wo die Sonne bald aufgehen würde, war er heller gefärbt; ein weiter oben kreuzendes Wolkengeschwader war von ihren Strahlen jedoch noch nicht berührt worden.
»Dort unten muß es kalt sein für den Kapitän«, stieß Pshawri mit unwillkürlichem Schaudern aus.
»Du bist wirklich zutiefst um ihn besorgt, nicht wahr?« bemerkte Cif. »Mehr als üblich. Es fällt mir schon seit zwei Wochen auf. Seitdem du einen mit violetter Tinte geschriebenen und mit grünem Wachs versiegelten Brief erhalten hast, der mit dem letzten lankhmarischen Handelsschiff vor der Wiesel ankam.«
»Ihr habt ein scharfes Auge«, bemerkte er.
»Ich sah ihn, als Kapitän Mausling den Postbeutel leerte. Was ist damit, Pshawri?«
Er schüttelte den Kopf. »Bei allem gebührlichen Respekt, das ist eine Angelegenheit, die nur den Kapitän und mich selbst angeht – und noch eine dritte Person. Ohne seine Erlaubnis kann ich nicht darüber sprechen.«
»Weiß der Kapitän davon?«
»Ich glaube nicht. Doch sicher weiß ich es nicht.«
Cif hätte ihre Nachforschungen gerne noch fortgesetzt, obwohl Pshawris Widerstreben, ihr klarere Auskunft zu geben, aus tiefstem Herzen zu kommen schien – und mehr als ein bißchen geheimnisvoll war –, doch in diesem Augenblick wurden sie von den fünf Leuten eingeholt, die ihnen vom Feuer aus gefolgt waren, und die vertrauliche Stimmung verflog. Cif und Pshawri bekamen sogar das Gefühl, im Rampenlicht zu stehen. Denn als sie die nächsten Male pendelten, wollte jeder der Neuankömmlinge das Wunder selbst aus der Nähe betrachten: Den schweren Würfel mit dem Schlackestück darin, der nicht lotrecht nach unten hing, sondern eindeutig, wenn auch nur geringfügig, vom Schachteingang wegstrebte. Schließlich war sogar der zweifelnde Groniger überzeugt.
»Ich muß meinen Augen Glauben schenken«, erklärte er grollend. »Wenn auch die Versuchung, das Gegenteil zu glauben, groß ist.«
»Am Tag fällt es schwerer, solche Dinge zu glauben«, erklärte Rill. »Nachts ist das viel leichter.«
»So ist das bei Hexenwerk«, nickte Mutter Grum.
Inzwischen war die Sonne herausgekommen und hatte über den Nebel hinweg, der sich sonderbarerweise nicht auflöste, einen gelben Pfad zu ihnen gelegt.
Und sowohl Cif als auch Pshawri mußten Fragen über die feine Vibration der Schnur beantworten, die für das Auge nicht sichtbar war.
»Es ist einfach da«, erklärte Cif. »Ein leichtes Beben.«
»Ich kann euch nicht sagen, woher ich weiß, daß das vom Kapitän kommt«, mußte Pshawri zugeben. »Ich weiß es einfach.«
Groniger schnaubte.
»Ich wünschte, ich könnte mir da so sicher sein wie Pshawri«, erklärte Cif darauf. »Für mich trägt diese Vibration nicht unbedingt seinen Namen.«
Zwei weitere Pendeldurchgänge führten die Gruppe in die Nähe der Südküste der Reifinsel. Sie bereiteten sich darauf vor, das Pendel ein drittes Mal schwingen zu lassen, ein paar Schritte vor dem Streifen, wo die Wiese kahl wurde, steinig und ziemlich steil über weitere zehn Schritte zum schmalen Strand hin abfiel, an dem die Wellen des Äußeren Meeres leckten. Nach Westen zu wurde diese kleine Böschung allmählich noch steiler und fiel schließlich fast lotrecht ab. Im Osten lag der eigensinnige Nebel einen Bogenschuß weit von ihnen entfernt. Weiter draußen erblickten sie aus dieser weißen Masse herausragend die Mastspitzen der in Salzhavens Hafen vor Anker liegenden oder am Kai wartenden Schiffe.
Diesmal war Pshawri mit dem Pendeln an der Reihe. Er wirkte beunruhigt, seine Bewegungen ungewöhnlich hastig, doch als er leicht in die Knie ging und seine Haltung annahm, das rechte Auge genau über der Stelle, wo die Schnur von den Fingern gehalten wurde, war seine Hand durchaus ruhig.
Cif und Rill hatten sich nahebei
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