Schwerter-Zylus 08 - Ritter und Knappe des Schwerts
verschwindenden Kameraden nachglotzte – keineswegs dazu fähig gewirkt.
Aber wie sollte irgend jemand wissen, wo nach ihm zu graben war, nachdem er sich so weit umherbewegt hatte? Oder wie sollte man überhaupt nach ihm graben können, falls er sich schon unterhalb des Äußeren Meeres befand?
Was ihn nun wiederum daran erinnerte, daß den ältesten Legenden zufolge Simorgya in prähistorischer Zeit durch ungemein lange Tunnel, die unter den wilden Wellen hindurchführten, auf der Reifinsel eingefallen war. Das war, bevor die südlicher gelegene Insel unter den Wogen versank und ihren grausamen Bewohnern Kiemen und Flossen wuchsen.
Zweifellos eine Phantasie, etwas, was alte Hexen erzählten. Wenn es solche Tunnel jedoch wirklich einmal gegeben haben sollte, war er hier, an der Südküste der Reifinsel, zweifellos am richtigen Ort, sie zu entdecken. Oder zumindest einen davon zu entdecken – das war doch gewiß nicht zuviel erhofft. Und so, während er eifrig durch kaum geöffnete Lippen Luft aus dem dunklen, ihn umschließenden Erdreich aufsog und sie in einem kräftigeren Stoß wieder ausatmete, um die in den Mund eingedrungenen feuchten Erdkörnchen loszuwerden, wurde er in etwa drei Meter Entfernung einer parallel zu seinem eigenen Körper verlaufenden blaßgrünen Wellenbewegung gewahr, als schreite dort etwas in einem engen Gang auf und ab und betrachte ihn dabei genau. Nach einer Weile enträtselte das Etwas sich als die zierliche Gestalt der simorgischen Dämonien Ississi, die ihre Gestaltwandlung vom Fisch zum Mädchen zu drei Vierteln – nein, zu sieben Achteln – vollzogen hatte: Nur entlang ihres Rückgrats verlief noch die winzige Andeutung eines Flossengrats, ein kaum wahrnehmbarer Hauch von Schwimmhäuten verband die Wurzeln ihrer schlanken Finger, und ihr herrlicher Teint hatte nur einen ganz leicht grünlichen Schimmer – dieses Mädchen-Wesen mit den großen gelbgrünen Augen und der lispelnd-verführerischen Sprechweise, das sich selbst den strengsten Disziplinarmaßnahmen so gefügig unterworfen hatte, zumindest für eine ganze Weile.
Sie schien ein hauchdünnes, regenbogenbuntes Kleid zu tragen, aus den Lumpen der teuren, farbenfrohen, feinen Stoffe gearbeitet, die während ihres damaligen abschließenden Unterwassergefechts in der zeitweilig untergegangenen Seefalke zu Fetzen zerrissen worden waren.
Einen Augenblick lang kehrten seine Zweifel, die sich schon auflösen wollten, wieder zurück, und er fragte sich, wie er in diesem nebligen Reich, wo ein Fisch (oder ein Mädchen, was das betraf) ziemlich genau wie der andere aussah (und alle zusammen wie Phantome aus grünem Rauch), überhaupt so sicher sein konnte, daß das wirklich Ississi war. Doch noch während er sich diese Frage stellte, wurde das Bild wirklicher, und jeder Zug des gewinnenden Gesichts war klarer zu erkennen. Darüber hinaus stellte er fest, daß er sich, trotz der Umstände ihrer Begegnung, keineswegs vor ihr fürchtete. Tatsächlich merkte er sogar, wie er, als seine Augen ihren Bewegungen hin und her folgten, allmählich schläfrig wurde, denn ihr regelmäßiger Rhythmus war so beruhigend. Er bemerkte auch, wie er sich der Täuschung hingab (denn eine Täuschung mußte es doch sein?), sein ganzer Körper und nicht nur seine Augen wanderten im Einklang mit ihr vor und zurück, als wäre sein Körper, ohne daß er selbst es bemerkt hätte, in einen Gang oder Tunnel parallel zu dem ihren entkommen und schwebe nun in der Luft, die keinen Widerstand bot!
Genau in diesem Augenblick sah er voll Entsetzen etwas, das ihn sofort vollständig von der Vorstellung abbrachte, eine junge Frau sei hier unten im großen und ganzen wie die andere – oder ein Fisch wie der andere, was das betraf. Denn obwohl er nicht gesehen hatte, daß Ississis beinahe lächelnde Lippen sich irgendwie geschlossen oder gespitzt hätten, hörte er ein trillerndes, leises, verführerisches Pfeifen.
Scharf seine Beine entlang und über die Füße hinaus spähend, sah er die blaustreifig kalkweiße Gestalt der Schwester Schmerz in tigerhafter Eile auf ihn zustürmen, die Krallen zu beiden Seiten ihres grinsenden, schmalen Gesichts ausgestreckt und die Augen rotglühend von bösem Feuer.
Seinen früheren Eindruck ebenso wie seine Vermutung über den Tunnel bestätigend, floh er ohne jede körperliche, jedoch unter großer geistiger Anstrengung in der gleichen Geschwindigkeit vor ihr davon, in der die Grauenhafte näherkam, so daß sie beide mit
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