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Schwertgesang

Schwertgesang

Titel: Schwertgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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schwerfällig, dickbäuchig und plump. Es hatte ein Segel, doch das Segel war an die Rah gefaltet, und die Rah lag in ihrer Halterung. Mit dem Sog der Ebbe glitten wir in die goldene Morgendämmerung. Meine rechte Hand lag auf dem Steuerruder. Ich trug ein Kettenhemd, jedoch keinen Helm. Ich hatte mich mit meinen beiden Schwertern gegürtet, doch sie waren, ebenso wie mein Kettenhemd, unter einem schmutzigen braunen Wollumhang verborgen. Zwölf Ruderer saßen auf den Bänken. Sihtric stand neben mir, ein Mann war auf der Plattform am Bug und an all diesen Männern waren ebenso wenig wie an mir Rüstung oder Waffen zu erkennen.
    Wir sahen aus wie ein Händlerschiff, das die Küste von Wessex entlangfährt, während seine Besatzung hofft, von niemandem auf der nördlichen Seite des Mündungsgebietes bemerkt zu werden.
    Aber sie hatten uns bemerkt.
    Und ein Seewolf verfolgte uns.
    Sie ruderten nördlich von uns, leicht nach Südosten ausgerichtet, und warteten, dass wir umdrehten und versuchten, flussaufwärts gegen den Gezeitenstrom zu entkommen. Sie waren etwa eine Meile entfernt, und ich erkannte die kurze, schwarz aufragende Linie des Vorderstevens, die in dem Kopf eines Untiers endete. Sie beeilten sich nicht. Ihr Schiffsführer konnte erkennen, dass wir nicht ruderten, und er würde diese Untätigkeit für ein Zeichen von blinder Angst halten. Er würde denken, dass wir besprachen, was wir tun sollten. Er ließ seine Ruderer gemächlich arbeiten, doch jeder ihrer Schläge schob das Schiff ein Stück weiter, um uns den Fluchtweg ins offene Meer abzuschneiden.
    Finan, der auf einer Ruderbank im hinteren Teil unseres Schiffes saß, sah mich über die Schulter an. »Fünfzig Mann Besatzung?«, meinte er. »Vielleicht auch mehr«, sagte ich. Er grinste. »Wie viele mehr?« »Könnten siebzig sein«, schätzte ich. Wir waren dreiundvierzig, und alle bis auf fünfzehn von uns waren dort versteckt, wo auf dem Schiff sonst die Waren lagerten. Diese Männer verbargen sich unter einem alten Segel, sodass es aussah, als hätten wir Salz oder Korn geladen, eine Fracht, die vor Regen und Gischt geschützt werden musste. »Wird ein denkwürdiger Kampf, wenn es siebzig sind«, sagte Finan schwelgerisch. »Es wird überhaupt kein besonderer Kampf werden«, sagte ich, »weil sie nicht auf uns vorbereitet sind.« Und so war es. Wir schienen eine leichte Beute zu sein, ein paar Männer auf einem fassförmigen Schiff, und der Seewolf würde längsseits gehen, und ein Dutzend Männer würde zu uns an Bord springen, während ihre übrige Besatzung zusehen würde, wie sie uns abschlachteten. Das jedenfalls planten sie. Die Männer, die zusahen, wären natürlich bewaffnet, aber sie würden keinen Kampf erwarten, meine Männer dagegen waren mehr als bereit. »Denkt dran«, rief ich laut, sodass die Männer unter dem Segel mich hören konnten, »wir töten alle!« »Auch Frauen?«, fragte Finan. »Frauen nicht«, sagte ich. Aber ich bezweifelte, dass an Bord des anderen Schiffes Frauen waren. Sihtric hockte neben mir und sah nun blinzelnd zu mir auf. »Warum alle töten, Herr?« »Damit sie lernen, uns zu fürchten«, sagte ich. Das Gold des Himmels wurde immer heller und verblasste schließlich vollkommen. Die Sonne war über die Wolkenbank gestiegen und die See gleißte von ihren Strahlen. Das gespiegelte Bild des feindlichen Schiffes zog sich lang über das lichtflackernde, ruhig fließende Wasser. »Steuerbordruder!«, rief ich, »Zurück! Aber möglichst unbeholfen!«
    Die Männer an den Rudern grinsten, während sie mit absichtsvoll ungeschickten Ruderschlägen das Wasser aufspritzen ließen, bis wir uns langsam stromauf gedreht hatten, sodass es so erschien, als würden wir zu entkommen versuchen. Wenn wir so unschuldig und verwundbar gewesen wären, wie wir aussahen, wäre es am vernünftigsten gewesen, an das Ufer im Süden zu rudern, das Schiff auf Grund laufen zu lassen und um unser Leben zu laufen, doch stattdessen drehten wir um und begannen, gegen den Sog der Ebbe und die Strömung zu rudern. Unsere Ruder schlugen dabei gegeneinander, sodass wir vollends wie unfähige, verängstigte Narren wirkten. »Sie haben den Köder geschluckt«, sagte ich zu unseren Ruderern, obwohl sie, da unser Bug nun nach Westen gerichtet war, selbst sehen konnten, dass der Feind angefangen hatte, sich schwer in die Ruder zu legen. Das Wikingerschiff kam geradewegs auf uns zu, seine Ruder hoben und senkten sich wie die Flügel eines Vogels, und mit

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