Schwertgesang
Steapa hörte mir nicht zu. Seine Augen waren grimmig zusammengekniffen, und sein Gesicht, das ohnehin meist wenig Mienenspiel zeigte, war nun eine erstarrte Maske reiner Wut. Er sah aus wie ein Irrsinniger. Ich erinnerte mich an das eine Mal, das ich gegen ihn gekämpft hatte. Es war am Tag vor dem Julfest gewesen, am gleichen Tag, an dem Guthrums Dänen über Cippanhamm hereingebrochen waren, und Steapa war vor diesem Kampf ganz ruhig gewesen. Er hatte an diesem lange vergangenen Wintertag wie ein Handwerker ausgesehen, der seiner Arbeit nachgeht, voller Vertrauen in seine Fähigkeiten und seine Werkzeuge, doch so sah er jetzt nicht aus. Jetzt empfand er persönliche Wut, und ob es daran lag, dass er gegen einen verhassten Heiden kämpfen sollte, oder weil er mich in Cippanhamm unterschätzt hatte, wusste ich nicht. Und es kümmerte mich auch nicht. »Denk dran«, versuchte ich es erneut, »Wayland der Schmied war lahm.« »Anfangen!«, rief Sigefrid hinter mir. »Gott und Jesus«, brüllte Steapa, »Hölle und Christus?« Es war keine Entgegnung auf Sigefrids Befehl, ich bezweifle sogar, dass er ihn überhaupt wahrgenommen hatte. Stattdessen sammelte er all seine Spannung, wie ein Bogenschütze, der die Sehne noch ein weiteres kleines bisschen spannt, um dem Bogen die tödliche Kraft zu verleihen. Und dann brüllte Steapa wie ein Tier und stürzte sich auf Weland.
Weland griff ebenfalls an, und sie prallten aufeinander wie Hirsche in der Brunftzeit. Die Dänen und Norweger hatten sich in einem Kreis um die beiden aufgestellt, der von den Speerträgern aus Sigefrids Leibwache begrenzt wurde, und die zuschauenden Krieger keuchten, als die beiden Kampftiere zusammenprallten. Steapa hatte seinen Kopf gesenkt, weil er hoffte, Weland seinen Schädel ins Gesicht rammen zu können, doch Weland hatte sich im letzten Moment etwas bewegt, und so stießen ihre Körper aneinander und mit hastigen Griffen versuchten beide, den anderen festzuhalten. Steapa hatte Weland an der Hose gepackt, Weland verkrallte sich in Steapas Haaren, und beide benutzten ihre freie Hand, um Faustschläge auf den anderen niederhageln zu lassen. Steapa versuchte Weland zu beißen, Weland versetzte Steapa einen Kopfstoß, dann wollte Steapa seine Faust in Welands Schritt stoßen, und erneut rangen sie heftig miteinander, bis Weland sein massiges Knie hob und es Steapa zwischen die Schenkel rammte.
»Gütiger Gott«, murmelte Willibald neben mir. Weland befreite sich von Steapas Griff und versetzte ihm einen harten Schlag ins Gesicht. Das Geräusch seiner Faust klang wie der dumpfe, satte Aufprall, mit dem eine Schlachteraxt in ein Stück Fleisch fährt. Blut lief aus Steapas Nase, doch er schien es nicht zu bemerken. Er teilte Schläge aus, ließ seine Fäuste gegen Welands Rippen und seinen Kopf fahren und streckte dann die Finger, um heftig nach den Augen des Dänen zu stechen. Es gelang Weland, dem Angriff auszuweichen, und er rammte Steapa die Knöchel seiner Faust an die Kehle, sodass der Sachse zurücktaumelte und nach Atem rang.
»Oh mein Gott, mein Gott«, flüsterte Willibald und bekreuzigte sich.
Weland setzte schnell mit weiteren Fausthieben nach und ließ dann seine Armringe auf Steapas Schädel niederfahren. Die metallenen Verzierungen schürften über Steapas Kopf, es floss noch mehr Blut. Steapa wankte, keuchte und würgte, und mit einem Mal fiel er auf die Knie, und die Zuschauer jubelten laut über seine Schwäche. Weland hob seine gewaltige Faust, doch bevor er mit ihr zuschlagen konnte, warf sich Steapa nach vorn und packte den linken Knöchel des Dänen. Er zog und verdrehte ihn, und Weland stürzte zu Boden wie eine gefällte Eiche. Er kam mit einem dumpfen Knall auf, und sofort warf sich Steapa knurrend und blutend über seinen Feind und begann erneut, ihn mit den Fäusten zu bearbeiten. »Sie werden sich umbringen«, sagte Pater Willibald mit ängstlicher Stimme. » Sigefrid wird nicht zulassen, dass sein bester Kämpfer stirbt«, sagte ich und fragte mich sogleich, ob das wirklich so war. Ich wandte mich zu Sigefrid um und stellte fest, dass er mich beobachtete. Er lächelte mich durchtrieben an und wandte seinen Blick dann wieder den Kämpfern zu. Das war sein Spiel, dachte ich. Der Ausgang des Kampfes würde auf unsere Verhandlung keinen Einfluss haben. Nichts, außer vielleicht Pater Willibalds Leben, hing von dieser bestialischen Vorführung ab. Es war nur ein Spiel.
Es gelang Weland, sich unter Steapa wegzudrehen,
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