Schwertgesang
erfreut, mich zu sehen, das war sicher, doch in ihren Augen lag Wachsamkeit, und sie wandte sich um und wartete, bis Erik durch den Vorhang kam. Er bedeutete ihr mit einer Geste, mich zu begrüßen, und erst dann, nach seiner Aufforderung, kam sie auf mich zu. Und jetzt strahlte sie. Und ich erinnerte mich, wie sie an ihrem Hochzeitstag in der neuen Kirche ihres Vaters in Wintanceaster ausgesehen hatte. Sie sah genauso aus wie damals. Sie sah glücklich aus. Sie schien zu leuchten. Sie ging so leichten Schrittes wie eine Tänzerin und sie lächelte so schön, und mir fiel wieder ein, dass ich in dieser Kirche gedacht hatte, sie sei in die Liebe verliebt, und da erkannte ich unvermittelt, worin sich der damalige und der heutige Tag unterschieden. Denn das strahlende Lächeln galt nicht mir. Sie wandte sich nochmals um, und ich sah Eriks Miene, und ich starrte nur noch. Ich hätte es aus jeder Äußerung Eriks heraushören können. Ich hätte es wissen können, denn es war so offenkundig wie frisches Blut auf jungfräulichem Schnee. Æthelflaed und Erik waren verliebt. Die Liebe ist gefährlich. Verschleiert schleicht sich etwas in unser Leben und verändert es. Ich hatte geglaubt, Mildrith zu lieben, doch es war nur Wollüstigkeit gewesen, und eine Zeitlang hatte ich gedacht, es wäre die Liebe. Wollust hebt unser Leben aus den Angeln, bis nichts mehr zählt außer dem Menschen, den wir zu lieben glauben, und unter dieser Verblendung töten wir für ihn, geben alles für ihn, und dann, wenn wir haben, was wir wollten, entdecken wir, dass alles nur ein Trugbild war und da gar nichts ist. Wollust ist eine Reise, die nirgendwohin führt, die in öde Trostlosigkeit führt, doch manche Männer lieben gerade solche Reisen, und wo sie enden, kümmert sie nicht. Auch die Liebe ist eine Reise, eine Reise, deren einziges Ziel der Tod ist, doch sie ist eine Reise der Seligkeit. Ich liebte Gisela, und wir waren vom Schicksal begünstigt, weil unsere Lebensfäden sich gekreuzt und sich miteinander verwoben hatten und die drei Nornen uns zumindest eine Weile freundlich gesinnt waren. Die Liebe kann sogar bestehen, wenn die Lebensfäden nicht in schöner Entsprechung nebeneinander herlaufen. Ich hatte festgestellt, dass Alfred seine Ælswith liebte, obwohl sie ihm das Leben versauerte wie ein Löffel Essig die Milch. Vielleicht hatte er sich nur an sie gewöhnt, und vielleicht bedeutet Liebe eher Freundschaft als Wollust, obwohl die Götter wissen, dass die Wollust überall dabei ist. Gisela und ich hatten aneinander Genüge gefunden, ebenso wie Alfred und Ælswith, dennoch glaube ich, dass unsere Reise glücklicher war, denn unser Schiff tanzte auf sonnenüberglänzten Meeren und wurde von einem warmen, lebhaften Wind vorwärtsgetrieben.
Und Æthelflaed? Ich sah es in ihrem Gesicht. Ich sah ihr Strahlen und ihre unerwartete Liebe und all das Unglück, das sie erwartete, und all die Tränen und all das Herzeleid. Sie war auf einer Reise, und es war eine Reise der Liebe, doch sie segelte in einen Sturm, der so finster und heftig war, dass mir fast an ihrer Stelle das Herz brach. »Herr Uhtred«, sagte sie, als sie bei mir angekommen war.
»Herrin«, sagte ich und verneigte mich vor ihr, und dann sagten wir nichts mehr. Willibald plapperte, doch wir nahmen kein Wort davon auf. Ich betrachtete sie, und sie lächelte mich an, und die Sonne glänzte auf dem Erdwall, über dem die Lerchen zwitscherten, aber alles, was ich hörte, war rollender Donner, und alles, was ich sah, waren rasende, weiß schäumende Wogen und ein schlingerndes Schiff und seine Besatzung, die verzweifelt ertrank. Æthelflaed war verliebt. »Euer Vater versichert Euch seiner Zuneigung«, sagte ich, nachdem ich meine Stimme wiedergefunden hatte.
»Armer Vater«, sagte sie. »Ist er ärgerlich auf mich?«
»Er zeigt niemandem gegenüber Verärgerung«, sagte ich, »aber auf Euren Ehemann sollte er wahrhaftig zornig sein.«
»Ja«, stimmte sie mir gelassen zu, »das sollte er.« »Und ich bin hier, um die Abmachungen für Eure Freilassung zu treffen«, erklärte ich und ging über mein sicheres Gefühl hinweg, dass die Freilassung das Letzte war, was sie sich jetzt wünschte, »und Ihr werdet erfreut sein zu erfahren, Herrin, dass alles besprochen ist und Ihr bald zu Hause sein werdet.«
Sie zeigte jedoch keine Freude über diese Nachricht. Pater Willibald, blind für ihre wahren Gefühle, strahlte sie an, und Æthelflaed belohnte ihn mit einem schwachen
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