Schwertgesang
Wir verbrachten die Nacht in einem verlassenen Bauernhof, und einer von uns blieb immer wach. Nichts störte unseren Schlaf, und in der Dämmerung ritten wir unter einem schwertgrauen Himmel weiter. Huda führte uns auf einem meiner Pferde an. Ich sprach eine Zeit lang mit ihm und erfuhr, dass er ein Jäger war und einem sächsischen Herrn gedient hatte, der von Eilaf getötet worden war, und dass er es zufrieden war, unter dänischer Herrschaft zu leben. Seine Antworten wurden mürrischer und kürzer, als wir uns der Waeae näherten, und so ließ ich mich nach einer Weile zurückfallen, um an Finans Seite weiterzureiten. »Vertraust du ihm?«, fragte Finan und nickte in Richtung Hudas. Ich zuckte mit den Schultern. »Sein Gebieter tanzt nach der Pfeife von Sigefrid und Haesten«, sagte ich, »und ich kenne Haesten. Ich habe ihm das Leben gerettet, und das bedeutet etwas.« Finan dachte darüber nach. »Du hast ihm das Leben gerettet? Wie?«
»Ich habe ihn aus den Händen von ein paar Friesen befreit. Er hat mir seinen Treueid geleistet.« »Und hat seinen Eid gebrochen?« »Das hat er.«
»Also kann man Haesten nicht vertrauen«, sagte Finan nachdrücklich. Ich sagte nichts. Drei Hirsche standen fluchtbereit am gegenüberliegenden Rand einer leeren Viehweide. Wir ritten auf einem zugewachsenen Weg neben einer Hecke, unter der Krokusse blühten. »Was sie wollen«, fuhr Finan fort, »ist Wessex. Und um Wessex zu bekommen, müssen sie kämpfen. Und sie wissen, dass du Alfreds größter Krieger bist.« »Was sie wollen«, sagte ich, »ist die Burg von Coccham.« Und um sie zu bekommen, würden sie mir die Krone Merciens anbieten, doch ich hatte dieses Angebot weder Finan noch einem anderen meiner Männer enthüllt. Nur mit Gisela hatte ich darüber gesprochen.
Natürlich wollten sie noch viel mehr. Sie wollten Lundene, weil sie damit eine befestigte Stadt an der Temes in die Hand bekämen, aber Lundene lag auf der mercischen Seite und würde ihnen bei der Besetzung von Wessex nichts nützen. Aber wenn ich ihnen Coccham überließe, dann wären sie am Südufer des Flusses und könnten Coccham als Ausgangspunkt für ihre Plünderungszüge bis tief hinein nach Wessex nutzen. Alfred würde sie zumindest bezahlen, damit sie aus Coccham abzogen, und auf diese Art würden sie zu viel Silber kommen, selbst wenn es ihnen nicht gelang, Alfred vom Thron zu stoßen. Aber Sigefrid, Erik und Haesten, so meinte ich, waren nicht nur hinter Silber her. Wessex war die Beute, auf die sie es abgesehen hatten, und um Wessex zu erobern, brauchten sie Männer. Guthrum würde sie nicht unterstützen, Mercien wurde zwischen Dänen und Sachsen aufgerieben und konnte kaum Männer stellen, die bereit waren, ihren Besitz ungeschützt zurückzulassen, aber jenseits von Mercien lag Northumbrien, und in Northumbrien regierte ein dänischer König, der auf die Ergebenheit eines großen dänischen Kriegers zählen konnte. Der König war Giselas Bruder und der Krieger, Ragnar, war mein Freund. Indem sie mich kauften, glaubten sie Northumbrien in ihrem Krieg an der Seite zu haben. Der dänische Norden würde den sächsischen Süden erobern. Das war es, was sie wollten. Das war es, was die Dänen wollten, solange ich zurückdenken kann. Und alles, was ich tun musste, war, meinen Schwur auf Alfred zu brechen und König in Mercien zu werden, und das Land, das manche England nannten, würde zu Daneland werden. Das, so glaubte ich, war der Grund, aus dem mich der tote Mann zu sich gerufen hatte.
Wir erreichten die Waeae bei Sonnenuntergang. Die Römer hatten die Straße mit einem Kiesbett und Einfassungen aus Stein verstärkt, und einige der gemauerten Steine aus ihrer Zeit waren noch unter dem bleichen Wintergras zu sehen, neben dem ein moosüberwachsener Meilenstein die Aufschrift Durocobrivis V zeigte. »Was ist Durocobrivis?«, fragte ich Huda.
»Wir nennen es Dunastopol«, sagte er mit einem Achselzucken, um anzudeuten, dass es sich dabei um einen vollkommen unbedeutenden Ort handelte. Wir überquerten die Was. In einem gut regierten Land hätte man Wächter erwartet, die auf der Straße die Reisenden schützten, doch hier waren keine zu sehen. Nur ein paar Krähen flogen in ein nahe gelegenes Wäldchen, und im Westen zogen silbrige Wolken über den Himmel, während vor uns die Dämmerung schon schwer über Ostanglien hing. Niedrige Hügel erstreckten sich im Norden, und auf diese Hügel führte uns Huda zu und dann durch ein langgezogenes flaches
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