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Schwertgesang

Schwertgesang

Titel: Schwertgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Unvermittelt hatte Haesten mit dieser Frage das Schweigen gebrochen. »Schon viele Male«, sagte ich. Haesten und ich ritten nun an der Spitze.
    »Sigefrid«, begann Haesten und stellte dann fest, dass er nichts zu sagen hatte. »Er ist ein Norweger, wie ich höre«, sagte ich. »Er ist unberechenbar«, sagte Haesten, und sein Tonfall verriet mir, dass es Sigefrid war, der ihn unruhig machte. Haesten war ohne mit der Wimper zu zucken einem lebenden Leichnam entgegengetreten, doch der Gedanke an Sigefrid flößte ihm Furcht ein.
    »Ich kann auch unberechenbar sein«, sagte ich, »genau wie du.«
    Darauf sagte Haesten nichts. Stattdessen berührte er sein Hammeramulett und lenkte sein Pferd dann in einen Torweg, worauf Diener herbeiliefen, um uns zu begrüßen. »Der Königspalas«, sagte Haesten. Ich kannte den Palas. Er war von den Römern als mächtiges, von einem Gewölbe überspanntes Gebäude mit Säulen und behauenem Stein errichtet worden, wenn es später auch von den mercischen Königen geflickt werden musste, sodass nun Dachstroh, Flechtwerk und Holzbalken die Lücken in dem zerfallenden Gemäuer schlössen. Den großen Saal säumten römische Säulen und seine Wände waren aus Ziegelsteinen, doch hatte an kleinen Stellen hier und da auch die Marmorverkleidung die Zeiten überstanden. Ich betrachtete das hohe Mauerwerk und staunte darüber, dass jemals Männer in der Lage gewesen waren, solche Mauern zu errichten. Wir selbst bauten mit Holz und Stroh, und beides verrottete früher oder später, und das hieß, dass wir nichts hinterlassen würden. Die Römer dagegen hinterließen Marmor und Stein, Ziegel und Pracht. Ein Hausverwalter erklärte uns, Sigefrid und sein jüngerer Bruder seien in der alten Römerarena, die vom Königspalas aus in nördlicher Richtung lag. »Was tut er dort?«, fragte Haesten. »Er bringt ein Opfer, Herr«, sagte der Verwalter. »Dann werden wir ihn aufsuchen«, sagte Haesten und sah mich fragend an. »Das tun wir«, sagte ich.
    Wir ritten den kurzen Weg bis zur Arena. Bettler schraken vor uns zurück. Wir besaßen Geld, und das wussten sie, aber sie wagten nicht, uns um etwas zu bitten, denn wir waren bewaffnet und wir waren Fremde. Schwerter, Schilde, Äxte und Speere hingen an den schlammverspritzten Flanken unserer Pferde. Ladenbetreiber verbeugten sich vor uns, während Frauen ihre Kinder in den Rockfalten versteckten. Die meisten Leute, die im römischen Teil Lundenes wohnten, waren Dänen, doch sogar diese Dänen waren ängstlich. Ihre Stadt war von Sigefrids Schiffsmannschaften eingenommen worden, die auf Geld und Frauen aus waren. Ich kannte die weite, eiförmige römische Arena, die von verfallenden Steinstufen umgeben war, auf denen früher Holzplanken zum Sitzen gelegen hatten. Als Kind hatte ich hier von Toki dem Schiffsmeister die wichtigsten Hiebe mit dem Schwert gelernt. Kaum jemand war auf den steinernen Stufen zu sehen, nur ein paar Müßiggänger sahen den Männern zu, die in der Mitte der unkrautüberwucherten Arena standen. Es müssen vierzig oder fünfzig Männer gewesen sein, und etwa zwanzig gesattelte Pferde waren an einem Ende der Arena angebunden, doch was mich am meisten überraschte, als ich zwischen den hohen Mauern des Eingangs hindurchritt, war das christliche Kreuz, das zwischen den Männern aufgestellt worden war. »Sigefrid ist ein Christ?«, fragte ich Haesten erstaunt.
    »Nein!«, sagte Haesten nachdrücklich. Die Männer hatten die Hufschläge gehört und drehten sich zu uns um. Alle waren für den Kampf gerüstet und wirkten bedrohlich in ihren Kettenhemden und Lederpanzern, mit ihren Schwertern oder Äxten, doch sie waren in fröhlicher Stimmung. Dann kam von dem Kreuz aus der Mitte der Gruppe mit stolzem Schritt Sigefrid auf uns zu.
    Ich erkannte ihn, auch ohne dass man mir gesagt hatte, wer er war. Sigefrid war ein massiger Mann, und er wirkte noch massiger, weil er einen weiten Umhang aus schwarzem Bärenfell trug, der ihm bis zu den Knöcheln reichte. Darunter trug er hohe Lederstiefel, ein schimmerndes Kettenhemd und einen Schwertgürtel, der mit Silbernieten beschlagen war. Sein buschiger schwarzer Bart quoll unter einem Eisenhelm hervor, den silberne Beschläge zierten. Er zog den Helm vom Kopf, während er auf uns zukam, und sein Haar war ebenso schwarz und buschig wie sein Bart. Schwarze Augen saßen in seinem breiten Gesicht, eine Nase, die schon gebrochen und gequetscht worden war, und ein schlitzartiger Mund, der ihm ein

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