Schwertgesang
»wenn sich herausstellt, dass du auf Sigefrids Seite bist.« »Aber das bin ich nicht.« »Er will einfach nur sicher sein«, sagte Steapa. »Und dieser Mönch, Asser? Er sagt, man könne dir nicht trauen. Wenn du also deinen Befehlen nicht folgst, soll ich dich töten.« »Warum erzählst du mir das?«, fragte ich ihn. Er zuckte die Schultern. »Weil es nicht darauf ankommt, ob du darauf vorbereitet bist oder nicht«, sagte er, »denn ich werde dich in jedem Fall töten.« »Nein«, sagte ich und verbesserte seine Wortwahl, »du wirst versuchen, mich zu töten.« Darüber dachte er recht lange nach, dann schüttelte er den Kopf. »Nein«, sagte er, »ich werde dich töten.« Und er war dazu in der Lage. Wir rückten in nächtlicher Finsternis unter einem bewölkten Himmel ab. Die feindlichen Reiter, die zu unserer Beobachtung geschickt worden waren, hatten sich mit der Abenddämmerung in die Stadt zurückgezogen, aber ich war sicher, dass Sigefrid seine Späher auch in der Nacht aussandte, und deshalb folgten wir eine Stunde oder etwas länger einem Weg, der durch die Marschen nordwärts führte. Es war schwer, nicht von dem Weg abzukommen, doch nach einer Weile wurde der Grund fester und stieg zu einem Dorf hin an, wo in Lehmhütten, die mit hochaufgetürmtem Stroh gedeckt waren, kleine Feuer brannten. Ich schob eine Tür auf und hatte eine Familie vor mir, die schreckerfüllt um ihr Kochfeuer hockte. Sie fürchteten sich, weil sie uns gehört hatten, und sie wussten, dass sich in der nächtlichen Finsternis nichts bewegt, bis auf gefährliche Kreaturen, die Unheil und Tod bringen. »Wie wird dieser Ort genannt?«, fragte ich, und einen Moment lang wagte niemand zu antworten. Dann begann ein Mann wie im Krampf vor mir mit dem Kopf zu nicken und erklärte, er glaube, diese Ansiedlung heiße Padintune. »Padintune?«, fragte ich. »Paddas Anwesen? Ist Padda hier?«
»Er ist tot, Herr«, sagte der Mann, »er ist schon vor Jahren gestorben, Herr. Keiner hier kennt ihn, Herr.«
»Wir kommen in Freundschaft«, erklärte ich. ihm, »aber wenn hier irgendwer sein Haus verlässt, ist es mit der Freundschaft vorbei.« Kein Dorfbewohner sollte nach Lundene rennen, um Sigefrid davon zu berichten, dass wir in Padintune angehalten hatten. »Verstehst du das?«, fragte ich den Mann. »Ja, Herr.«
»Ein Schritt aus dem Haus«, sagte ich, »und du stirbst.«
Ich versammelte meine Männer auf der schmalen Dorfstraße und ließ Finan vor jeder Hütte eine Wache aufstellen. »Keiner darf heraus«, erklärte ich ihm. »Sie können in ihren Betten schlafen, aber keiner darf das Dorf verlassen.« Steapas massiger Körper zeichnete sich gegen den Nachthimmel ab. »Sollten wir nicht weiter nordwärts ziehen?«, fragte er. »Doch, aber wir tun es nicht«, gab ich zurück. »Also ist jetzt der Moment gekommen, in dem du mich töten sollst. Ich missachte die Anordnungen.« »Ah«, knurrte er und ließ sich in die Hocke nieder. Ich hörte sein Lederwams knarren und die Glieder seines Kettenhemdes gegeneinander klirren. »Du könntest jetzt deinen Sax ziehen«, schlug ich vor, »und mir mit einem Hieb den Bauch aufschlitzen. Ein Stoß in meinen Wanst? Aber mach es schnell, Steapa. Schlitz mir den Wanst auf und treib die Klinge so lange weiter, bis sie mein Herz erreicht. Aber vorher lässt du mich noch mein Schwert ziehen, oder? Ich verspreche, es nicht gegen dich zu erheben. Ich will einfach nur in Odins Halle einziehen, wenn ich tot bin.« Er gluckste in sich hinein. »Ich verstehe dich nicht, Uhtred«, sagte er.
»Ich bin eine ganz schlichte Seele«, erklärte ich ihm. »Ich will einfach nur nach Hause.«
»Nicht in Odins Halle?«
»Am Ende schon«, sagte ich, »aber zuerst nach Hause.« »Nach Northumbrien?«
»Dort habe ich eine Festung am Meer«, sagte ich sehnsüchtig, und ich dachte an Bebbanburg auf seiner steilen Klippe und an die wilde graue See, die endlos gegen die Felsen wogte, und an den kalten Nordwind und an die weißen Möwen und ihre Schreie in der sprühenden Gischt. »Zuhause«, sagte ich.
»Das dir dein Onkel geraubt hat?«, fragte Steapa. »Ælfric«, sagte ich rachsüchtig, und wieder dachte ich an das Schicksal. Ælfric war der jüngere Bruder meines Vaters, und er war in Bebbanburg geblieben, während ich mit meinem Vater nach Eoferwic geritten war. Ich war noch ein Kind. Mein Vater war in Eoferwic gestorben, niedergemacht von einer dänischen Klinge, und ich war als Sklave zu Ragnar dem Alteren gekommen, der
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