Schwertgesang
würde, das Lager zu erreichen, falls er einen Angriff im Sinn hatte. Wir lenkten unsere Schiffe in den Wasserlauf nördlich der Insel, und als die Ebbe einsetzte und die Frösche die Dämmerung mit ihrem Quaken erfüllten, liefen die Schiffe auf den tiefen, schlammigen Grund. Auf der Festlandseite entzündeten wir Feuer, die uns in ihrem Schein jeden anrückenden Feind zeigen würden, und rund um die Insel stellte ich Männer auf. Æthelred kam an diesem Abend nicht an Land. Stattdessen ließ er mir durch einen Diener ausrichten, ich solle mich bei ihm an Bord der
Heofonhlaf . Also zog ich meine Stiefel und meine Hosen aus, watete durch den klebrigen Schlamm bis zu seinem Schiff und zog mich über die Seite an Bord. Steapa, der mit den Männern von Alfreds Leibwache in den Kampf zog, begleitete mich. Ein Diener zog eimerweise Flusswasser von der anderen Seite des Decks hoch, und wir wuschen uns damit den Schlamm von den Beinen, bevor wir uns wieder anzogen und zu Æthelred unter sein Schutzdach im Heck der Heofonhlaf gingen. meinem Cousin befand sich der Befehlshaber über seine Haustruppe. Es war ein junger mercischer Edelmann namens Aldhelm, der ein schmales, hochmütiges Gesicht, dunkle Augen und dichtes, schwarzes Haar besaß, das er mit Ol zum Glänzen brachte.
Auch Æthelflaed war da. Sie befand sich in Begleitung einer Magd und des grinsenden Paters Pyrlig. Ich verneigte mich vor ihr, und sie lächelte mich an, allerdings war es eher ein schwaches Lächeln, und dann beugte sie sich wieder über ihre Stickarbeit, die sie im Schein einer Lampe verrichtete, die von einem Schild aus Horn abgeschirmt wurde. Sie fädelte weiße Wolle durch ein dunkelgraues Gewebe und ließ so das Bild eines sich aufbäumenden Pferdes entstehen, das ihr Ehemann auf dem Banner führte. Das gleiche Banner, jedoch viel größer, hing schlaff vom Mast des Schiffes herunter. Es war windstill, und der Rauch von den Kochfeuern Lundenes hing östlich von uns wie ein regloser Schmutzstreifen am dämmrigen Himmel. »Wir greifen im Morgengrauen an«, verkündete Æthelred, ohne sich die Mühe einer Begrüßung gemacht zu haben. Er trug ein Kettenhemd und hatte sich die Hüften mit seinen beiden Schwertern, einem langen und einem kurzen, gegürtet. Er wirkte noch selbstgefälliger als gewöhnlich, wenn er sich auch bemühte, seine Stimme ganz beiläufig klingen zu lassen. »Aber ich werde meinen Truppen erst dann den Befehl zum Vorstoß geben«, fuhr er fort, »wenn ich weiß, dass dein Angriff begonnen hat.« Ich runzelte die Stirn bei diesen Worten. »Du wirst nicht angreifen«, wiederholte ich bedachtsam, »bevor du weißt, dass ich meinen Angriff begonnen habe?«
»Das ist nicht allzu schwer zu begreifen, oder?«, fragte Æthelred streitlustig. »Für die meisten Männer zweifellos nicht«, sagte Aldhelm spöttisch. Er verhielt sich Æthelred gegenüber genauso, wie sich Æthelred gegenüber Alfred benahm, und weil er sich der Gunst meines Cousins sicher war, glaubte er, sich diese kaum verhüllte Beleidigung erlauben zu können. »Ich begreife es jedenfalls nicht!«, warf Pater Pyrlig lebhaft ein. »Der vereinbarte Plan«, sprach der Waliser an Æthelred gewandt weiter, »sieht vor, dass Ihr einen Scheinangriff an der westlichen Stadtmauer durchführt, und sobald die Verteidiger von der nördlichen Stadtmauer zur Verstärkung kommen, Uhtreds Männer den eigentlich Vorstoß machen.«
»Nun, ich habe eben meine Absichten geändert«, sagte Æthelred leichthin. »Jetzt werden Uhtreds Männer für den Ablenkungsangriff sorgen, und ich werde den eigentlichen Angriff durchführen.« Herausfordernd hob er sein breites Kinn und starrte mich an.
Æthelflaed sah mich ebenfalls an, und ich spürte, dass sie hoffte, ich würde ihrem Ehemann widersprechen, doch stattdessen überraschte ich sie alle, indem ich meinen Kopf wie in duldsamer Hinnahme senkte. »Wenn du darauf bestehst«, sagte ich.
»Das tue ich«, sagte Æthelred, außerstande, seine Befriedigung über diesen offenbar so leicht errungenen Sieg zu verbergen. »Du kannst deine eigenen Haustruppen einsetzen«, fuhr er widerwillig fort, als hätte er die Macht, mir meine eigenen Männer zu nehmen, »und noch dreißig andere dazu.«
»Wir waren übereingekommen, dass ich fünfzig haben kann«, sagte ich.
»Auch darüber habe ich meine Ansicht geändert!«, erwiderte er kämpferisch. Zuvor hatte er schon darauf bestanden, dass die Männer des Fyrd von Berrocscire, meine Männer, seine
Weitere Kostenlose Bücher