Schwertgesang
Leichen trafen schwer auf den Weg, prallten noch einmal leicht hoch, und dann lagen sie als weitere Stolpersteine in Sigefrids Weg. Und dann sah ich auch Sigefrid.
Er ging in der zweiten Reihe, eine bedrohliche Gestalt in seinem dicken Umhang aus Bärenfell. Das Fell allein konnte schon viele Schwerthiebe abfangen, und darunter trug er eine schimmernde Kettenrüstung. Er brüllte seinen Männern zu, sie sollten vorrücken, aber dass es so unvermittelt Tote regnete, hatte sie zum Stehenbleiben gebracht. »Vorwärts!«, schrie Sigefrid, drängte sich zur ersten Reihe durch und kam geradewegs auf mich zu. Er starrte mich an und er brüllte, aber was er brüllte, weiß ich heute nicht mehr.
Sigefrids Angriff hatte alle Geschwindigkeit verloren. Statt uns einfach zu überrennen, kamen sie mit langsamen Schritten auf uns zu, und ich erinnere mich, meinen Schild nach vorn gestoßen zu haben, und an das Krachen, mit dem unsere beiden Schilde aufeinandertrafen, und an den unvermittelten Widerstand, den mir Sigefrids schwerer Körper entgegensetzte, wenn er das auch ebenso erlebt haben muss, denn keiner von uns kam aus dem Gleichgewicht. Er schlug mit seinem Schwert auf mich los, und ich spürte den Schlag dröhnend auf meinen Schild treffen. Ich hatte Schlangenhauch in die Scheide geschoben. Es war und ist eine wundervolle Klinge, aber ein Langschwert ist von keinerlei Nutzen, wenn die Schildwälle so nah wie Liebende aufeinander zurücken. Ich hatte Wespenstachel gezogen, mein Kurzschwert, und ich suchte nach einer Lücke zwischen den Schilden des Feindes und stieß zu. Ich traf nichts.
Sigefrid drängte sich gegen mich. Wir drückten dagegen. Eine Reihe Schilde war auf eine andere Reihe getroffen, und dahinter wurde auf beiden Seiten geschoben und geflucht, geächzt und gestöhnt. Eine Axt wurde von dem Mann hinter Sigefrid gegen meinen Kopf geschwungen, doch hinter mir hatte Clapa seinen Schild gehoben und fing den Schlag ab, der kraftvoll genug war, um Ciapas Schild auf meinen Kopf krachen zu lassen. Einen Moment lang sah ich nichts mehr, doch dann schüttelte ich den Kopf, und mein Blick wurde wieder klar. Eine weitere Axt war am oberen Rand meines Schildes eingehakt worden, und der Angreifer versuchte, meinen Schild herunterzuziehen, doch ich stand zu eng an Sigefrids Schild gedrängt, sodass es ihm nicht gelingen konnte. Sigefrid verfluchte mich, spuckte mir ins Gesicht, und ich nannte ihn einen ziegenrammelnden Hurensohn und stach mit Wespenstachel nach ihm. Als ich hinter den feindlichen Schilden etwas traf, fuhr ich mit der Klinge noch weiter vor und drehte sie, doch was sie anrichtete, weiß ich bis heute nicht. Die Sänger erzählen von solchen Schlachten, doch kein Sänger, den ich kenne, hat jemals in der ersten Reihe eines Schildwalls gestanden. Sie rühmen die Tapferkeit eines Kriegers und berichten, wie viele Männer er getötet hat. Hell blitzend zuckte seine Klinge in der Sonne auf, singen sie, und zahlreich fielen die Opfer unter seinem Speer. Doch so war es nie. Die Klingen blitzten nicht in der Sonne auf, sondern wurden blutbesudelt in der Enge des Schildwalls vorgerammt. Die Männer fluchten, drängten und schwitzten. Es starben nicht viele, nachdem die Schilde einmal aufeinander getroffen waren und das Schieben begann, weil nicht genügend Raum war, um mit einem Schwert auszuholen. Das eigentliche Töten würde anfangen, wenn ein Schildwall aufbrach, doch unser Schildwall hielt diesem ersten Angriff stand. Ich sah nicht viel, denn mein Helm war mir weit über die Augen gedrückt worden, aber ich erinnere mich an Sigefrids offenen Mund, an all die fauligen Zähne und den gelben Speichel. Er verfluchte mich, und ich verfluchte ihn, und mein Schild dröhnte von Schlägen, und überall brüllten Männer. Einer schrie. Dann hörte ich noch einen schreien, und da trat Sigefrid unvermittelt zurück. Sein ganzer Schildwall bewegte sich von uns weg, und einen Moment lang glaubte ich, sie wollten uns aus dem Torbogen locken, doch ich blieb, wo ich war. Ich wagte mich mit meinem kleinen Schildwall nicht unter dem Torbogen hervor, denn die großen Steinmauern zu beiden Seiten schützten meine Flanken. Dann erklang ein dritter Schrei, und schließlich sah ich, warum Sigefrids Männer den Kampf unterbrochen hatten. Große Steinblöcke fielen von der Wehrmauer. Pyrlig wurde offenbar nicht angegriffen, also brachen er und seine Männer Steinbrocken aus dem Mauerwerk und ließen sie auf die Feinde herabfallen, und
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