Schwertgesang
schon wieder seine Axt auf meinen Schild herabfahren.
Er verzog sein Gesicht zu einer Maske aus verfaulten Zähnen, zornblitzenden Augen und struppigem Bart. »Ich will dich lebend«, sagte er. Er holte mit der Axt seitlich aus, und mir gelang es, meinen Schild so zu drehen, dass die Klinge nur gegen den Schildbuckel krachte. »Lebend«, wiederholte er, »und du stirbst einen Tod, den ein Mann verdient, der seinen Eid gebrochen hat.«
»Ich habe Euch keinen Eid geleistet«, knurrte ich. »Aber du wirst sterben, als hättest du es getan«, sagte er, »mit Händen und Füßen an ein Kreuz genagelt. Und deine Schreie werden erst enden, wenn ich sie nicht mehr hören will.« Erneut verzerrte sich sein Gesicht, als er mit der Axt zum letzten Hieb ausholte, mit dem er meinen Schild endgültig zersplittern lassen wollte. »Und ich ziehe dir die Haut ab, Uhtred, du Betrüger«, sagte er, »und dann gerbe ich sie und beziehe meinen Schild damit. Und ich pisse in deine tote Kehle und tanze auf deinen Knochen.« Er schwang die Axt, und der Himmel fiel herab.
Ein langes Stück Mauerwerk war von der Wehrmauer gewälzt worden und stürzte krachend in Sigefrids Reihen. Überall waren Staub und Schreie und verletzte Männer. Sechs Krieger waren getroffen, sie lagen auf dem Boden oder tasteten nach gebrochenen Gliedmaßen. Sie waren alle hinter Sigefrid, und er wandte sich nach der neuen Verwirrung um, und genau in diesem Moment sprang Osferth, Alfreds Bastardsohn, von dem Tor herab.
Er hätte sich die Beine brechen müssen, doch irgendwie überstand er den unheimlichen Sprung unverletzt. Er kam zwischen Steintrümmern und zerschmetterten Körpern auf, die zu Sigefrids zweiter Linie gehört hatten, und er schrie wie ein Mädchen, als er sein Schwert gegen den Kopf des riesigen Norwegers schwang. Die Klinge donnerte gegen Sigefrids Helm. Sie zerschlug das Metall nicht, doch der Hieb musste Sigefrid für einen Moment betäubt haben. Ich hatte meinen Schildwall geöffnet, indem ich zwei Schritte vorwärts tat, und ich rammte meinen gebrochenen Schild gegen den benommenen Mann und stach mit Wespenstachel nach seinem linken Schenkel. Dieses Mal brach die Klinge durch die Glieder seiner Kettenrüstung und ich drehte sie, durchschnitt Muskeln. Sigefrid schwankte, und in diesem Moment stach Osferth, aus dessen Gesicht reines Grauen sprach, dem Norweger sein Schwert ins Kreuz. Ich glaube nicht, dass Osferth klar war, was er tat. Er hatte sich vor Angst in die Hose gepisst, er war wie betäubt, er war vollkommen durcheinander, der Feind hatte sich neu aufgestellt und wollte ihn töten, und Osferth stach einfach mit der Kraft der Verzweiflung zu, und sein Schwert bohrte sich in Sigefrids Umhang aus Bärenfell, in Sigefrids Kettenrüstung und schließlich in Sigefrid selbst.
Der gewaltige Mann schrie vor Schmerz. Finan war an meiner Seite, tanzte, wie er in der Schlacht immer tanzte, täuschte den Mann neben Sigefrid mit einem geraden Stoß seines Schwertes, um dann blitzschnell seitwärts auszuholen und dem Mann die Klinge durchs Gesicht zu ziehen. Dann rief er Osferth zu, er solle zu uns kommen. Doch Alfreds Sohn war wie erstarrt vor Entsetzen. Er hätte keinen Augenblick mehr zu leben gehabt, wenn ich nicht die Überreste meines Schildes vom Arm geschüttelt und Osferth an dem schreienden Sigefrid vorbei und zu mir gezogen hätte. Ich schob ihn hinter mich in die zweite Reihe und wartete, ohne einen Schild zum Schutz, auf den nächsten Angriff.
»Mein Gott, ich danke dir, dir, Herr Gott, sei Dank«, sagte Osferth. Er klang jämmerlich. Sigefrid lag wimmernd auf den Knien. Zwei Männer zogen ihn weg, und ich sah Erik erschrocken auf seinen verwundeten Bruder starren. »Komm und stirb!«, rief ich ihm zu. Doch Erik beantwortete meine Herausforderung nur mit einem traurigen Blick. Er nickte mir zu, als erkenne er an, dass mich der Brauch zwang, ihn zu bedrohen, dass diese Drohung seinen Respekt für mich jedoch nicht schmälerte. »Kommt!«, reizte ich ihn, »kommt und lernt Schlangenhauch kennen!« »Ich komme, wenn ich bereit bin, Herr Uhtred«, rief Erik zurück. Seine Höflichkeit allein bedeutete schon einen Tadel meines wilden Gebrülls. Er beugte sich zu seinem verletzten Bruder hinab. Sigefrids Verletzung hatte den Feind dazu gebracht, mit dem nächsten Angriff auf uns zu zögern. So konnte ich mich umdrehen und sah, dass Steapa den Angriff abgeschlagen hatte, der von der Stadt aus gegen uns geführt worden war. »Was geht auf den
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