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Schwester der Finsternis - 11

Schwester der Finsternis - 11

Titel: Schwester der Finsternis - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Goodkind
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zu stolpern. Den Stand zu verlieren wäre tödlich, im Fall eines Sturzes würde Richard sie sofort durchbohren.
    Sie schaute nach links hinüber. Dort ragte eine hohe Wand aus schierem, mit langen Ranken flaumigen Mooses behangenem Fels empor. Zur anderen Seite wich die Kante des Felsvorsprungs zurück, bis sie schließlich mit ebendieser Felswand zusammenstieß. Dort, wo der ebene Grund sich immer mehr verjüngend in einer Sackgasse endete, blieb einem nur noch die Wahl, steil nach oben oder nach unten zu klettern.
    Sie lenkte einen schnellen Vorstoß seines Schwertes zur Seite, und er parierte ihren. In einem Anfall aufbrausenden Zorns fiel sie mit einer wilden Attacke über ihn her. Er parierte ihre Hiebe mühelos und zahlte ihren Angriff mit gleicher Münze heim. Was sie an Raum gewonnen hatte, war rasch zweifach verloren. Abermals war sie gezwungen, sich verzweifelt zu verteidigen und ihr Überleben durch Aufgabe von Boden zu sichern.
    Auf einem niedrigen, abgestorbenen Balsamtannenast keine zehn Fuß entfernt, pflückte ein kleines rotes Eichhörnchen, dem die Winterhaarbüschel bereits aus den Ohren wucherten, eine ledrig-braune Flechtenrosette ab, die auf der Rinde wuchs. Den weißen Bauch stolz zur Schau gestellt, hockte es, seinen buschigen Schwanz in die Höhe gereckt, auf seinen Hinterbeinen am Ende des abgebrochenen toten Astes, hielt das gekräuselte Stück Flechte in seinen winzigen Pfoten und knabberte den Rand ringsherum ab wie ein Turnierzuschauer, der einen gerösteten Brotfladen verspeist, während er zuschaut, wie die Duellanten aufeinander prallen.
    Kahlan schluckte trocken, während ihre Augen mal hier, mal dorthin zuckend zwischen den eindrucksvollen Stämmen des Hochwaldes festen Grund suchten und gleichzeitig nach irgendetwas Ausschau hielten, was sie retten konnte. Wenn es ihr irgendwie gelänge, Richard und die Bedrohung seines Schwertes zu umgehen, würde sie ein wenig Zeit gewinnen. Sie wich einem raschen Vorstoß seines Schwertes aus und warf sich hinter einem jungen Ahornbaum in ein Beet aus braunem und gelbem, von leuchtenden Sonnensprenkeln beschienenen Adlerfarn.
    Unvermittelt stürmte Richard wie von Sinnen vorwärts, um den Kampf zu beenden, und riss sein Schwert hoch, um sie zu zerteilen.
    Das war ihre Bresche – ihre einzige Chance.
    Blitzartig schaltete sie von Rückzug auf Angriff um. Sie sprang einen Schritt vor, tauchte unter seinem Arm hindurch und bohrte dabei ihr Schwert in seine weiche Körpermitte.
    Richard hielt sich die Wunde mit beiden Händen. Er wankte einen Augenblick, dann brach er im Farn zusammen und blieb ausgestreckt auf dem Rücken liegen. Leichte, auf größeren Farnen liegende Blätter wurden durch die Strömung emporgehoben, stiegen Purzelbäume schlagend in die Luft und trudelten schließlich herab, um seinen Leichnam mit leuchtenden Farben zu verzieren. Das satte Rot der Ahornblätter wirkte so lebendig, dass Blut im Vergleich braun gewirkt hätte.
    Kahlan stand über Richard gebeugt und versuchte keuchend wieder zu Atem zu kommen. Sie war völlig erledigt, ließ sich auf die Knie fallen und warf sich über den auf dem Rücken liegenden Körper. Rund herum hatten sich Farnwedel in der Farbe von Karamellbonbons wie zum Trotz gegen ihren jahreszeitlich bedingten Tod zu kleinen Fäusten eingerollt. Die wenigen helleren, gelblichen, nach Heu duftenden Farne verliehen der nachmittäglichen Luft ein sauberes, süßliches Aroma; nur wenige Dinge konnten es mit dem Duft des Waldes im Spätherbst aufnehmen. Aus unerfindlichen Gründen war ein hoher Ahornstamm ganz in der Nähe noch nicht gänzlich entlaubt, sondern entfaltete, im Schatten eines schützenden Vorsprungs in der Felswand, sein üppiges Blätterkleid – in einem derart grellen Orange, dass es sich mit dem ultramarinblauen Himmel darüber biss.
    »Cara!« Die linke Hand auf Richards Brust gelegt, stützte Kahlan sich auf einen Arm und rief noch einmal: »Cara! Ich habe Richard getötet!«
    Cara, die nicht weit entfernt am Rand des Felsvorsprungs auf dem Bauch liegend Ausschau hielt, antwortete nicht.
    »Ich habe ihn umgebracht! Habt Ihr gehört? Habt Ihr das gesehen, Cara?«
    »Ja«, murmelte sie. »Ich hab’s gehört. Ihr habt Lord Rahl getötet.«
    »Nein, hast du nicht«, sagte Richard, noch immer verschnaufend.
    Sie versetzte ihm mit ihrem Weidenrutenschwert einen Hieb gegen die Schulter. »Doch, hab ich. Diesmal habe ich dich getötet. Und zwar endgültig.«
    »Du hast mich nur gestreift.«

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