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Schwester der Finsternis - 11

Schwester der Finsternis - 11

Titel: Schwester der Finsternis - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Goodkind
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brachte, so viel Zuneigung für diesen einen Mann zu empfinden?
    Was war es, das sie so besorgt machte?
    Im Inneren der völlig verdreckten Kaserne herrschte drangvolle Enge. Hohlwangige, unrasierte alte Männer standen verstört herum, den starren Blick ins Leere gerichtet. Pausbäckige Frauen mit einem Tuch um den Kopf weinten still vor sich hin, während schreiende Kinder sich an ihre Röcke klammerten. Andere Frauen standen einfach mit ausdrucksloser Miene da, so als warteten sie darauf, Brot oder Hirse einzukaufen. Ein kleines, nur mit einem Hemdchen bekleidetes und von der Hüfte an abwärts nacktes Kind stand einsam und verlassen da, hielt sich die winzigen Fäustchen vor den Mund und brüllte.
    Der Raum strahlte die Atmosphäre einer Totenwache aus.
    Gardisten der Stadtwache, meist groß gewachsene junge Männer mit gleichgültigem Gesichtsausdruck, zwängten sich auf ihrem Weg in düstere, von ihren Kameraden bewachte Flure durch das Gedränge. Eine niedrige, schlampig errichtete Trennwand hielt die Masse der Menschen zurück und beschränkte das tumultartige Chaos auf die eine Hälfte des Raumes. Jenseits der niedrigen Trennwand standen weitere Gardisten der Stadtwache, ganz zwanglos miteinander plaudernd. Andere trugen Berichte zu Männern an einem primitiven Tisch, scherzten oder empfingen im Vorübergehen Befehle.
    Nicci schob sich mitten durch die Menge und bahnte sich gewaltsam einen Weg bis vor die niedrige Trennwand, wo eng aneinander gedrängt kauernde Frauen darauf hofften, aufgerufen zu werden, darauf hofften, etwas zu erfahren, oder sich gar auf die Fürsprache des Schöpfers selbst Hoffnungen machten. Was sie sich stattdessen an die derben Planken der Trennwand gepresst einfingen, waren Splitter.
    Nicci hielt einen vorübergehenden Gardisten am Ärmel fest. Er blieb mitten im Schritt stehen. Sein wütend funkelnder Blick wanderte von ihrer Hand bis hoch zu ihren Augen. Sie ermahnte sich, dass sie nicht über ihre Kraft verfügte, und ließ den Ärmel wieder los.
    »Dürfte ich bitte erfahren, wer hier das Sagen hat?«
    Er musterte sie von Kopf bis Fuß, eine Frau, die seiner Einschätzung nach offenbar bald ohne Ehemann und daher Freiwild sein würde. Sein Gesicht verzog sich zu einem affektierten Grinsen. Er gestikulierte.
    »Dort drüben, am Tisch. Volksprotektor Muksin.«
    Der ältliche Mann hatte sich hinter seinen höchst wichtigen Papierstapeln verschanzt. Sein umfangreicher Körper unter dem bis auf die Brust reichenden Kinn schien in der sommerlichen Hitze dahinzuschmelzen. Das weite weiße Hemd wies dunkle Schweißringe auf und trug mit seinem Gestank zum üblen Mief in dem stickigen Raum bei.
    Gardisten beugten sich vor, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern, während sein stumpfer Blick ruhelos umherwanderte. Andere rechts und links von ihm am Tisch waren entweder in emsiger Geschäftigkeit mit ihren eigenen Stapeln von Papieren befasst, unterhielten sich miteinander oder beschäftigten sich mit dem Strom der anderen Beamten und Gardisten, die in dem Raum ein und aus gingen.
    Protektor Muksin, dessen glänzende Schädeldecke ungefähr so unauffällig war wie eine alternde, unter ein paar Grashalmen schlummernde Schildkröte, behielt den Raum im Auge. Seine dunklen, nie zur Ruhe kommenden Augen wanderten über die Gardisten, die Beamten und das Geschiebe der Menschenmenge hinweg. Als sie Niccis Gesicht streiften, verrieten sie nicht mehr Interesse als bei irgendeinem der anderen Anwesenden. Sie alle waren Bürger der Imperialen Ordnung, identisch und austauschbar, und jeder Einzelne an und für sich bedeutungslos.
    »Könnte ich ihn vielleicht sprechen?«, bat Nicci. »Es ist sehr wichtig.«
    Das lüsterne Feixen des Gardisten schlug um in Spott. »Davon bin ich überzeugt.« Lässig deutete er mit dem Finger auf die dicht gedrängte Menschenmenge neben ihnen. »Stell dich hinten an und warte, bis du an der Reihe bist.«
    Nicci und Kamil blieb nichts anderes übrig, als zu warten. Nicci waren diese niedrigen Chargen vertraut genug, um zu wissen, dass es wenig Sinn hatte, eine Szene zu machen. Sie lebten geradezu für die Augenblicke, wenn jemand eine Szene machte, also lehnte sie sich mit der Schulter an die verputzte, von den fettigen Flecken unzähliger anderer Schultern übersäte Wand. Kamil nahm seinen Platz hinter ihr ein.
    Die Schlange kam nicht voran, weil die Beamten niemanden empfingen. Nicci wusste nicht, ob nur zu bestimmten Zeiten Bürger vorgelassen wurden. Sie hatten keine

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