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Schwester der Finsternis - 11

Schwester der Finsternis - 11

Titel: Schwester der Finsternis - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Goodkind
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mit Schiefer- und Bleidächern versehen würde. Er hielt sich dicht hinter Bruder Neal, während sie auf den Haupteingang des Palastes zuschritten. Dort waren die Mauern höher; sie befanden sich in einem weiter fortgeschrittenen Stadium ihrer Entstehung, und viele der Verzierungen waren bereits angebracht worden. Neal sprang, zwei Stufen auf einmal nehmend, die halbkreisförmige, auf den Vorplatz führende Marmortreppe hinauf. Die weißen Marmorsäulen bildeten einen eindrucksvollen Bogen; auf ihren Kapitellen waren bereits zahlreiche Statuen aufgestellt worden. Es war, dank der zahllosen gequälten, zu Stein erstarrten Gestalten, ein einschüchternder Anblick, genau wie beabsichtigt.
    Der Boden des Platzes bestand aus grau geädertem Cavaturamarmor. Wenn die Sonne auf den Marmor schien, erstrahlte der von einem Halbkreis aus hoch aufragenden Säulen umstandene Vorplatz in prächtigem Glanz. Die gebrochenen, in Stein gehauenen Gestalten, die den Vorplatz säumten, schienen beim Anblick des Lichts gequält aufzuschreien – was exakt dem von Bruder Narev gewünschten Effekt entsprach.
    Neal machte eine ausladende Armbewegung. »Hier wird die große Statue stehen – die Statue, die den Eingang zum Ruhesitz des Kaisers schmücken wird.« Er drehte sich mit erhobenen Armen einmal ganz im Kreis. »An dieser Stelle werden die Menschen in den prunkvollen Palast eintreten. Hier werden die Menschen sich auf dem Weg zu den Beamten des Ordens einfinden. Hier werden sie dem Schöpfer näher sein.«
    Richard sagte nichts. Neal betrachtete ihn einen Augenblick lang, dann baute er sich in der Platzmitte auf und reckte die Arme der Sonne entgegen.
    »Hier, genau an dieser Stelle, wird die Statue zum Ruhm des Schöpfers stehen und Sein Licht in einer Sonnenuhr verwenden. Das Licht wird die Verabscheuungswürdigkeit der Geschöpfe in den Statuen – der Menschheit – offenbaren. Es wird ein Denkmal der boshaften Natur des Menschen werden, der, zu seiner jämmerlichen Existenz in dieser Welt verdammt, von Natur aus sündig ist und sich in Demut niederwirft, sobald das Licht des Schöpfers seinen hassenswerten Körper und seine hassenswerte Seele als das offenbart, was sie sind – hoffnungslos verdorben.«
    Richard überlegte. Wenn der Wahnsinn seinen Meister gefunden hatte, dann im Orden der Imperialen Ordnung und in den Menschen, die ebenso dachten wie sie.
    Neal senkte seine Arme wieder, ein Dirigent, der einen triumphalen Auftritt beendet.
    »Und du, Richard, wirst diese Statue in Stein meißeln.«
    Richard war sich des Hammers in seiner angespannten Faust überdeutlich bewusst. »Jawohl, Bruder Neal.«
    Neal fuchtelte mit einem Finger dicht vor seiner Nase und grinste in teuflischem Entzücken. »Ich glaube, du begreifst nicht ganz, Richard.« Gebieterisch hob er seine Hand. »Warte. Warte genau hier.«
    Er entfernte sich mit großen Schritten, wobei sein braunes Gewand hinter ihm wirbelte wie schlammiges Wasser in einer gewaltigen Flut. Neal holte einen Gegenstand, der hinter den Marmorsäulen stand, und kam, ihn in einer Hand tragend, zurück.
    Es war eine kleine Statue. Er stellte sie an der Stelle ab, wo die strahlenförmigen Linien im Marmorboden in einem Punkt der Platzmitte zusammenliefen. Es war ein Gipsmodell dessen, was Bruder Neal Richard soeben enthüllt hatte. Wenn überhaupt, so war sie eher noch scheußlicher, als Neal sie ihm beschrieben hatte. Am liebsten hätte Richard sie auf der Stelle mit seinem Hammer in Stücke geschlagen. Die Vernichtung einer solchen Widerwärtigkeit wäre es fast wert gewesen, dafür zu sterben.
    Fast.
    »Das ist sie«, erklärte Neal. »Bruder Narev hat einen Bildhauermeister ein Modell der Sonnenuhr nach seinen Anweisungen anfertigen lassen. Bruder Narevs Vision ist wahrlich bemerkenswert. Sie ist vollkommen, findest du nicht?«
    »Sie ist exakt so Grauen erregend, wie Ihr sie beschrieben habt, Bruder Neal.«
    »Und du wirst sie in Stein hauen. Vergrößere sie einfach maßstabgetreu zu einer großen Statue aus weißem Marmor.«
    Richard nickte benommen. »Jawohl, Bruder Narev.«
    Abermals wedelte er geradezu entzückt mit seinem Finger. »Nein, nein, du verstehst noch immer nicht ganz, Richard.« Er grinste wie ein Waschweib, das mit einem ganzen Korb voll schmutzigen Tratsches am Gartenzaun steht. »Ich habe ein paar Nachforschungen über dich angestellt, musst du wissen. Bruder Narev und ich haben dir nie über den Weg getraut, Richard Cypher. Keine Minute. Jetzt wissen wir alles

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