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Schwester der Finsternis - 11

Schwester der Finsternis - 11

Titel: Schwester der Finsternis - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Goodkind
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hinter der Tür und beobachtete sie, eine muskelbepackte, wuterfüllte Masse, jeden Augenblick bereit, zu explodieren.
    Entschlossen ging sie direkt auf ihn zu. »Ihr wolltet mich sehen, Euer Exzellenz?«
    Nicci spürte einen betäubenden Schmerz, als er ihr seinen fleischigen Handrücken ins Gesicht schlug. Der Schlag wirbelte sie herum. Sie fiel auf die Knie, er riss sie an den Haaren wieder auf die Füße. Beim zweiten Mal prallte sie erst gegen die Wand, bevor sie abermals zu Boden ging. Ein betäubender Schmerz zog sich pochend durch ihr ganzes Gesicht. Als sie die Orientierung wiedergefunden hatte, brachte sie die Beine unter ihren Körper und stand abermals vor ihm. Beim dritten Mal riss sie einen frei stehenden Kandelaber mit. Kerzen fielen durcheinander und rollten über den Fußboden. Ein langer Streifen durchsichtigen Vorhangstoffs, an den sie sich Halt suchend geklammert hatte, riss ab und legte sich sanft wehend über sie, als sie mitsamt einem umgestürzten Tisch krachend auf dem Boden landete. Glas splitterte, man hörte das Scheppern von Metall, als kleinere Gegenstände davonsprangen.
    Sie fühlte sich schwindelig und benommen, ihr Sehvermögen drohte zu versagen. Ihre Augen fühlten sich an, als wären sie geborsten, ihr Kiefer, als wäre er zersplittert, ihr Hals, als wären die Muskeln dort gerissen. Nicci lag, den in scharfen Wellen kommenden Schmerz genießend, ausgestreckt auf dem Boden und suhlte sich in dem seltenen Gefühl, überhaupt etwas zu empfinden.
    Sie sah das auf den hellen Rand des Teppichs unter ihr und auf den warm glänzenden Holzfußboden gespritzte Blut, sie hörte, wie Jagang sie anbrüllte, verstand aber wegen des Klingens in ihren Ohren die Worte nicht. Mit zitterndem Arm stemmte sie sich hoch in eine halb aufgerichtete Stellung. Blut rann warm über ihre Finger, als sie ihren Mund befühlte. Sie genoss den körperlichen Schmerz. Es war so lange her, dass sie, abgesehen von jenem viel zu kurzen Augenblick bei der Mord-Sith, überhaupt etwas gespürt hatte. Herrlich, diese Flut aus Schmerzen.
    Jagangs Brutalität vermochte bis in diese Tiefen vorzudringen, nicht nur wegen seiner Grausamkeit an sich, sondern weil sie wusste, dass sie nicht gezwungen war, sie auszuhalten. Auch ihm war klar, dass sie aus freien Stücken hier war, und nicht weil er es wollte. Das verstärkte seine Wut nur noch und damit ihre Empfindungen.
    Sein Zorn schien tödlich. Sie nahm lediglich zur Kenntnis, dass sie diesen Raum höchstwahrscheinlich nicht lebend verlassen und wohl auch nicht mehr dazu kommen würde, Schwester Lidmilas Zauberkünste kennen zu lernen. Nicci harrte einfach jener Dinge, die das Schicksal längst für sie entschieden hatte.
    Schließlich ließ das Drehen des Zimmers so weit nach, dass sie sich ein weiteres Mal aufrappeln konnte. Sie richtete sich vor der stummen, stämmigen Gestalt von Kaiser Jagang zu ihrer vollen Größe auf. Auf seinem kahl rasierten Schädel spiegelten sich Lichtpunkte von einigen der Lampen. Seine einzige Gesichtsbehaarung bestand aus einem fünf Zentimeter langen geflochtenen Schnurrbart, der über beiden Mundwinkeln wuchs, sowie einem weiteren geflochtenen Bart mitten unter seiner Unterlippe. Der goldene Ring in seinem linken Nasenflügel sowie das daran befestigte Goldkettchen, das zu einem weiteren Ring in seinem linken Ohr reichte, funkelten im weichen Schein der Lampen. Von einem schweren Ring an jedem Finger abgesehen, hatte er auf das erbeutete Sortiment aus königlichen Ketten und Juwelen verzichtet, das er gewöhnlich um den Hals trug. Auf den Ringen glänzte ihr Blut.
    Seine Brust war nackt, doch im Gegensatz zu seinem Schädel war sie mit derbem Haar bedeckt. Seine Muskeln wölbten sich, und ihre Sehnen traten hervor, wenn er die Fäuste ballte. Er besaß den Nacken eines Stiers und ein Gemüt, das noch schlimmer war.
    Nicci, einen halben Kopf kleiner als er, stand abwartend vor ihm und blickte in die Augen, die sie aus ihren Albträumen kannte. Sie waren von einem dunklen Grau, ohne jedes Weiß, das von düsteren, dämmrigen Partikeln getrübt wurde, die langsam über eine Oberfläche aus tintengleicher Dunkelheit zu treiben schienen. Obwohl sie keine erkennbare Iris oder Pupille aufwiesen – dort wo ein normaler Mensch Augen hatte, war nichts als eine scheinbar finstere Leere –, hatte sie nie den geringsten Zweifel, wann er sie ansah.
    Es waren die Augen eines Traumwandlers, eines Traumwandlers, dem der Zugang zu ihrem Verstand verwehrt

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