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Schwester Lise

Schwester Lise

Titel: Schwester Lise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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„Ich hoffe, Sie haben heute eine bessere Nacht, Frau Hjelle. Heute abend bekommen Sie Ihre Spritze. Gut - gehen wir weiter.“
    Sie grüßte und schritt zur Tür. Das weißgekleidete Gefolge setzte sich gleichfalls in Marsch und eilte über den Korridor zur nächsten Tür. Die gute alte Frau Hjelle schmunzelte. Sie wußte wohl, daß Frau Dr. Claussen streng sein konnte, und natürlich hatte Frau Hjelle Respekt vor der resoluten, grauhaarigen Ärztin. Aber Frau Hjelles alte, erfahrene Augen konnten in die Menschenherzen sehen. Sie konnte sehen, was sich hinter der äußeren Schale eines Menschen verbarg.
    Eirin lächelte still vor sich hin, als sie in ehrerbietigem Abstand dem weißen Schwarm folgte. Jetzt wußte sie, woher die strenge Schwester Eldrid den Befehlston und die spitzen Redensarten hatte. Sie ahmte Dr. Claussen haargenau nach, nur mit dem Unterschied, daß das Auftreten der Ärztin Achtung abnötigte, während Schwester Eldrid bösartig und aufgeblasen wirkte.
    Nächstes Mal wollte sie das Heulen schön bleibenlassen.
    Schwester Nina hatte Geburtstag. Sie hatte das Schwesternwohnzimmer ausleihen dürfen und den Tisch mit Torte und Tassen für die Schokolade gedeckt. Schwester Nina arbeitete auf der ersten Chirurgischen, wo die netteste Stationsschwester des Krankenhauses ihres Amtes waltete. Sie hatte Nina ihr privates Geschirr geliehen mit dem Strohblumenmuster und die Kaffeelöffel mit dem farbigen Email.
    Es machte Spaß, wieder einmal ein ziviles Kleid anzuziehen. Eirin war ganz bei der Sache, als sie sich im Spiegel betrachtete. Sie bürstete die schwarzen Locken, bis sie glänzten, und sie freute sich daran, wie hübsch die Bernsteinkette zu ihrem goldbraunen Chiffonkleid stand.
    Inga entschlüpfte ein kleiner Schrei der Bewunderung, und Eirins Wangen leuchteten in frischem Rot. Es tat wohl, wenn jemand sie hübsch fand.
    Und - o Wunder: Sie war heute überhaupt nicht müde! Vielleicht hatte Schwester Nina doch recht, daß der Körper sich an die Schufterei gewöhnt? Tatsächlich hatte sie seit etwa vierzehn Tagen nicht über die Arbeit gejammert.
    „Ich glaube wirklich, ich gewöhne mich allmählich dran!“
    „Das ist klar“, meinte Inga. „Die Arbeit ist gut, sie macht doch viel mehr Spaß, als in einem Büro zu sitzen und auf einer Schreibmaschine zu klappern.“
    Dann saßen die jungen Mädchen um den runden Tisch zwölf an der Zahl, Lernschwestern aller Stufen, Grünschnäbel Fortgeschrittene und fast Ausgelernte. Die Torte verschwand, die Schokolade schien zu verdunsten, und des Geplappers und Gelächters war kein Ende.
    „Wie geht es jetzt?“ wandte Nina sich an die vier Jüngsten, an Doris, Ilse, Inga und Lise. „Ihr seid sicher nicht mehr ganz so müde wie früher?“
    „Es geht wirklich schon besser“, versicherte Doris, „ich könnte ohne weiteres nach dem Dienst ein bißchen mit dem Rad losfahren.“ „Und ich würde mich geradezu unbehaglich fühlen, mir würde etwas fehlen, wenn ich nicht täglich vierzig Becken ausleeren dürfte“, lachte Schwester Ilse.
    „Und ich“, sagte Schwester Inga, „ich bin dabei zu lernen, wie man Schwester Eldrid humoristisch nimmt.“
    „Dann hast du große Fortschritte gemacht“, stellte Nina fest. „Ich muß gestehen, so weit bin ich noch nicht. Wie steht es mit dir, Lise“
    - sie blinzelte Eirin schalkhaft zu -, „wie sind deine Gefühle Schwester Eldrid gegenüber, nachdem sie dir beigebracht hat, ,hinter’ ihr zu gehen?“ Eirin wurde rot.
    „Meine Gefühle? Sie sind auf dem Siedepunkt, wenn du das Scheusal nur erwähnst. Sie sollte mit Stecknadeln zu Tode gepikt werden, die Sadistin!“ Nina lachte.
    „Entschuldige mal, wer von euch ist nun die Sadistin? Die, die zankt und keift, oder die, die mit Stecknadeln zu Tode piksen will?“ „Nun ja, du darfst das nicht so wörtlich nehmen. Ich würde es doch nicht tun, selbst wenn ich das Ungeheuer auf einem Operationstisch vor mir liegen hätte, rundherum festgeschnallt, und einen ganzen Bottich mit Stecknadeln neben mir. Wer weiß, warum sie so ist?“
    „Die zu studieren lohnte sich schon“, sagte Schwester Doris langsam. „Es ist sonnenklar, daß ein Mensch nicht ohne Grund so wird. Wer den Grund herausbekommen würde, könnte sie vielleicht heilen. Fünfundzwanzig Öre als Prämie für den Entdecker!“
    „Seid ihr verrückt?“ sagte Schwester Ilse. „Ihr wollt doch nicht etwa Schwester Eldrid heilen? Stellt euch vor, die würde plötzlich freundlich - worüber sollten

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