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Schwester Lise

Schwester Lise

Titel: Schwester Lise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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vorgenommen werden, und sie nehmen gern alle Unannehmlichkeiten in Kauf, nur um sich als interessanter Fall zu fühlen.“
    Eirin lauschte mit Mund und Augen und Ohren. Sie war brennend an dem interessiert, was sie da hörte, schämte sich aber zugleich so sehr, daß sie dem ruhigen, freundlichen Blick der Ärztin nicht zu begegnen wagte.
    „Zuletzt wurde es so schlimm mit ihr - Schlaflosigkeit, Herzanfälle, Tränenströme, Krämpfe und wer weiß was alles, daß sie ins Krankenhaus mußte. Natürlich mußte sie erster Klasse liegen. Jetzt macht der Engel von einem Ehemann Abend für Abend Überstunden, um dieser Person die erste Klasse zu ermöglichen mit extra guter Verpflegung und all dem anderen Kohl. Und Sie wissen sicher besser als ich, was alles an Blumen und Konfekt, Büchern und Obst ankommt. Dabei kann er sich das gar nicht leisten. Sie hat ihn so ruiniert, daß er über sein Gehalt hinaus keinen Öre mehr besitzt, und er hatte wirklich ein ganz hübsches kleines Vermögen. Aber jetzt - “, die Ärztin sah Eirin mit einem kleinen Augenzwinkern an, „sagen Sie mal, Schwester Lise, können Sie dichthalten?“
    „Ja!“ sagte Eirin laut und aus tiefster Seele. Hätte Frau Dr. Claussen sie jetzt aufgefordert, aus ihrem Körper einen Knoten zu machen und die Karl-Johan-Straße in der Hauptverkehrszeit hinunterzurollen, so hätte sie sich auf der Stelle ans Werk gemacht.
    „Dann will ich Ihnen etwas verraten - der Gedanke ist mir eben gekommen. Passen Sie gut auf! Morgen wird Frau Erviks Zimmer leider von einer todkranken Patientin besetzt, oder es platzt ein Wasserrohr, so daß das Zimmer geräumt werden muß. Und darum muß Frau Ervik, mit allen möglichen Zeichen des Bedauerns seitens der Oberschwester, vorläufig in den großen Saal gelegt werden. Ich habe da ein freies Bett im Auge!“
    „Ach!“ rief Eirin voll Eifer und vergaß völlig, daß es sehr unhöflich war, die Ärztin zu unterbrechen. „Ich hab’s! Mitten zwischen Frau Bentsen und Fräulein Pinnerud!“
    „Genau das“, lachte die Ärztin. „Was meine medizinischen Künste, Schwester Eldrids Spott und Ihre Gutherzigkeit nicht vermocht haben, das werden Frau Bentsen und Fräulein Pinnerud zuwege bringen, verlassen Sie sich darauf! Stellen Sie sich Frau Ervik vor, wenn sie mitten im Kreuzfeuer der beiden schnatternden Nachbarinnen liegt, die von früh bis spät über Gott und alle Welt palavern - was meinen Sie, wie schnell sie dort vergißt, ihre eigenen zarten Gefühle zu hätscheln?“
    Eirin lachte hellauf. Frau Bentsen und Fräulein Pinnerud redeten nämlich den ganzen Tag, aber jede über ihre eigenen Belange, ohne daß es ihnen einfiel, anderen zuzuhören. Hin und wieder zankten sie sich, aber bald darauf waren sie wieder ein Herz und eine Seele, zum Beispiel, wenn die unverschämt hohen Mieten und die herrschsüchtigen Hauswirte auf dem Tapet waren, das teure Fleisch oder die verrückte neue Hutmode. Eine Stunde später hatten sie sich wieder dermaßen in der Wolle, daß höchst unparlamentarische
    Ausdrücke zwischen den Betten hin- und herflogen - zum größten Gaudium der Mitpatientinnen.
    Frau Dr. Claussen wurde mit einemmal ernst.
    „Nun aber Scherz beiseite, Schwester Lise. Sie begreifen, ich wollte Ihnen dies alles erklären, weil ich es ja Ihren Augen ansah, daß Sie mich für ein Ungeheuer hielten. Aber ich bin gar nicht so schlimm, wie ihr Schülerinnen meint! Sie sehen die Probleme nur von der einen Seite. Die andere ist ebenso wichtig. Sie müssen schon so viel Zutrauen zu den Ärzten haben, daß Sie die Behandlungsweise, die sie anwenden, nicht durchkreuzen. Sie halten ja auch einen Arzt nicht für grausam, weil er einen eiternden Finger schneidet, nicht wahr? Es gibt Fälle, da muß man auch im übertragenen Sinne das Messer ansetzen.“
    Eirin wurde blutrot, so beschämt fühlte sie sich. Sie räusperte sich ein paarmal, dann vermochte sie endlich stammelnd hervorzubringen:
    „Ich - ich - ich schäme mich ganz fürchterlich, Frau Dr. Claussen!“ Mark Claussen lachte.
    „Ja, so sehen Sie aus, und ehrlich gesagt, das sollten Sie in diesem Fall auch.“
    „Ich begreife gar nicht, daß - daß Sie so gut zu mir sind - daß Sie sich die Zeit nehmen, einer dummen Schülerin dies alles zu erklären
    - daß Sie nicht vielmehr Lust haben zu - “
    „Wozu? Wissen Sie, wozu ich am meisten Lust hätte? Sie und Frau Ervik überzulegen. Aber wir können nicht immer tun, wozu wir Lust haben, nicht einmal wir - die

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